Zwischen Reichtum und Askese. Begegnung im paradiesischen Engadin
Die Eröffnungsausstellung der neu gegründeten Stiftung der italienischen Kulturunternehmerin Beatrice Trussardi, die ihren ersten Sitz in Mailand hat, aber von diesem Sommer an gleichfalls als nomadisches Projekt Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst international an wechselnden Orten zeigen wird, findet in einem zweifellos als bildschön zu bezeichnenden Bergpanorama im Schweizer Engadin statt. Auf Einladung des künstlerischen Leiters Massimiliano Gioni hat der polnische Künstler Pawel Althamer im Val Fex bei Sils Maria auf 2000 m Höhe eine kleine Berghütte in eine mystische Kapelle verwandelt. Darin eine auf die betörende Schlichtheit der Landschaft bezugnehmende Figur des Heiligen Franz von Assisi, die, aus einfachem Pappmaché und natürlichen Materialien gefertigt, Silbermünzen und ein Kardinalsgewand zu Boden geworfen hat und damit symbolisch eine Rückkehr zur Natur und zum Verzicht ausruft. Askese und Armut, die den Lebensweg Franz von Assisis bestimmten und die Althamer aufgreift, indem er ihn nackt und ausgezehrt mit leidvollem Blick gen Himmel gerichtet in einen Ziegenstall stellt, von den Tieren umgeben und nur zu Fuß oder per Pferdekutsche über Bergpfade erreichbar, bedeuten an diesem für mondänen Tourismus berühmten Ort, an den das Publikum so weit wie möglich fast ausnahmslos per Flieger anreist, schon per se eine Divergenz. Darin zeigt sich auch die Komplexität der Installation, die einschließt, dass der Künstler die Harmonie aus freundlichen Ziegen in der verträumten Landschaft voll verschneiter Berggipfel und Blumenwiesen hinterfragt. Durch die Schönheit des Ortes angeregt diesen Heiligen zu schaffen, der einen persönlichen Schutz für ihn bedeutet, ein Ausdruck von Transzendenz und Religiosität, hat er die Reduktion auf das Wesentliche als etwas herausgestellt, das auch hier noch lebendig ist, aber durch den Jetset-Tourismus überlagert wird, der das, was er genießen will durch seinen Lifestyle zerstört. So wird der Heilige eine Referenz und eine Erinnerung an das Wesentliche, an den eigentlichen Reichtum der Natur und an unsere Verbindung zu ihr sowie an die Frage, wie wir uns denn das Paradies vorstellen. Eine Frage, die jede/r mit nach Hause nimmt und auf welche die Angestellten der umliegenden Hotels ihre ganz eigenen Antworten in einem dafür vom Künstler zur Verfügung gestellten Buch notieren können. Beatrice Trussardi Foundation, Schweiz, Val Fex, 11.Juli – 29. August 2021. https://beatricetrussardifoundation.com/ (Ann-Katrin Günzel)
Dazu in Band 207 erschienen:
Dazu in Band 222 erschienen:
Dazu in Band 274 erschienen: