Wien: The Future of Demonstration
Im „REAKTOR“ Wien findet der Auftakt einer „auf zwei Jahre angelegten Kunstserie“ statt, „die den aktuellen Wandel hin zu postglobalen Ökologien, Ökonomien und Gesellschaften künstlerisch thematisiert. Sie evoziert die politischen, sozialen, technologischen, pädagogischen und ästhetischen Gestaltungsvermögen, die der Begriff Demonstration dafür anbietet.“ Das Leitmotiv dieses ersten Teils lautet „Season 01 VERMÖGEN“; die Projekte dauern vom 31. Oktober bis zum 11. November 2017 und bewegen sich formal „zwischen Ausstellung und Symposion“. Der zweite Teil zu „The Future of Demonstration“ wird 2018 unter dem Leitmotiv „PASSION“ umgesetzt. Formal macht diese „Kunstserie“ Anleihungen bei populären Fernsehserien mit ihrer Einteilung in „Seasons“ (Staffeln) und „Episodes“ (Folgen). „Postglobale“ Strategien lassen sich griffigerweise an der Re-Nationalisierung von Politik festmachen, augenfälligerweise an Donald Trumps „America First“-Ideologie und seiner Entscheidung, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen wollen, aber auch aus dem britischen „Brexit“-Votum und den zunehmenden Handelskonflikten Chinas mit seinen westlichen Partnern. Indes – diese Kunstserie thematisiert nicht jene eher vordergründige Realpolitik, die in faule und manchmal sogar höchst schäbige Kompromisse mündet, die ausgerechnet der SPD-Politiker Egon Bahr (1922-2015) einmal in die Worte fasste: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Mit diesem Zitat ließe sich z.B. auch das aktuelle Verhältnis der EU und speziell Italiens zur lybischen Küstenwache als ein Phänomen des postglobalen Zeitalters beschreiben, aber diese künstlerischen Demonstrationen kreisen auf einer eher grundsätzlichen Ebene um die Frage: „Was bedeutet Gesellschaft und Gemeinschaft, Zwischenmenschlichkeit und Dinglichkeit, Teilhabe und Überschreitung, Liebe und Begehren – Vermögen und Passion – angesichts heutiger postglobaler Transformationsprozesse?“ Da musste sich z.B. kürzlich der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bei einer Diskussion mit LKW-Fahrern in Iowa den Vorwurf anhören, wenn die Computerindustrie selbstfahrende Trucks entwickele, vernichte dies die Arbeitsplätze der Fernfahrer. Die „Future of Demonstration“-Initiatoren Sylvia Eckermann und Gerald Nestler haben zur Reflexion solcher aktueller Entwicklungen und Umbrüche „eigens künstlerische Formate entwickelt. Im Fokus steht dabei nicht Kritik und Hinterfragung als negative Abgrenzung. Vielmehr werden Plattformen geschaffen, durch die Kompetenzen aus Kunst, Performance, Film, Architektur, Theorie und Wissenschaft verschränkt werden“. Ein Vergleich zum politischen Charakter – und den politischen Ansprüchen – der diesjährigen Kasseler Documenta bietet sich an, wenn es heißt, diese Projektreihe setze sich zum Ziel, „die Geschichte(n) neu denken (zu) lassen. Fiktion dient als Realisierungsmaschine, die uns in die Lage versetzt, Begriffe umzudeuten, Prozesse freizusetzen und Technologien wie Ideologien umzuwerten. Denn es gilt, neue und andere Ästhetiken und Deutungen zu gestalten, die Wirklichkeiten öffnen, anstatt eine kalkulierte Wirklichkeit regulativ durchzusetzen.“ Die erste Staffel ist in fünf Episoden unterteilt: Zum Auftakt beschäftigen sich die Teilnehmer ab dem 31. Oktober 2017 mit „forensischer Architektur“. In den weiteren Folgen stehen u.a. Xenofeminismus und Robotik auf dem Programm, eine „synthetische Zukunft“ und eine „biotechnologische Zukunftsschau“ und zum Schluss im November die „Verbrennung des Geldes“. thefutureofdemonstration.net/index.html