WDR-Sammlung: erste Verkäufe

22. Juni 2016 · Galerien & Auktionshäuser

Das zeitliche Zusammentreffen zweier ganz verschiedener Ereignisse war zufällig, aber es erklärt, was WDR-Intendant Tom Buhrow meinte, als er zur Begründung anführte, der Erlös der Versteigerung von 46 Kunstwerken aus der sendereigenen Sammlung käme „dem Programm und damit dem Publikum des größten ARD-Senders zugute“. Als bekannt wurde, dass bei der ersten dieser bis Ende 2016 geplanten Auktionen Max Beckmanns Bild „Möwen im Sturm“ (1942) bei Sotheby’s in London 1,07 Mill. Euro erzielte und Ernst Ludwig Kirchners „Alpweg“ (1921) 1,1 Mill. Euro, da meldeten die Medien nämlich nahezu zeitgleich, dass die Deutsche Fußball Liga DFL bei den Verhandlungen über die Vergabe der TV-Rechte an ihren Bundesliga-Spielen im neuen Vertrag eine Rekordsumme von 4,64 Milliarden festschreiben konnte. Für die Verwertung im Free-TV müssen auch die öffentlich-rechtlichen Sender zu dieser Summe ihr Scherflein beitragen. Man ahnt daher, weshalb Intendant Buhrow von einer „schwierigen Haushaltslage“ beim WDR sprach. Diese ist sicherlich nicht hauptsächlich auf die Fußballübertragungen zurück zu führen. Den Verkauf der WDR-Sammlung zwecks Haushaltssanierung hatten Politiker in Berlin und der NRW-Hauptstadt Düsseldorf lauthals bedauert, und ebenso viele Wortführer in der Kunstszene, aber das zeitliche Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse macht doch in krasser Weise deutlich, wo kultureller und medialer Mainstream herrscht und wo sich öffentliche Institutionen in der Defensive befinden: Stephan Berg, Direktor des Kunstmuseums Bonn, beklagt vor dem Hintergrund, dass man derzeit in Leverkusens Kommunalpolitik mit der Schließung des örtlichen Museums liebäugelt, um 780.000 Euro pro Jahr einzusparen, es habe sich in zunehmenden Maße „ein generelles Misstrauen gegen sogenannte Hochkultur breitgemacht“. Neue Museen gründe man zwar gerne zwecks Tourismusförderung, sagt Berg, aber diese Rechnung geht nicht immer auf. Bayerns Kunstminister Ludwig Spaenle rechnet jedenfalls vor, alle staatlichen Museen in seinem Freistaat würden über Eintrittsgelder lediglich „einen mittleren einstelligen Millionenbetrag im Jahr“ erwirtschaften; ohne staatliche Zuschüsse oder Zuwendungen durch Stiftungen und Sponsoren kommt daher in Deutschland kein einziges Museum aus. Zum Vergleich: laut „FAZ“ könne der WDR mit der Versteigerung seiner Sammlung lediglich 3 Mill. Euro einnehmen; einsparen soll der Sender aber insgesamt 110 Mill. Euro. Das ist nicht einfach, denn zugleich steigen im Wettbewerb mit den Privatsendern bei ARD und ZDF die Produktionskosten. Bei der ARD kostet z.B. die Herstellung eines Tatort-Krimis derzeit etwa 17.000 Euro pro Minute Abspielzeit. Die Talkshow-Moderation Anne Will erhält laut Medienberichten angeblich 6 Mill. Euro an Honorar pro Jahr, muss damit aber ihre 36 Shows pro Jahr selber finanzieren. Den Quotendruck, dem die Sender unterliegen, übertragen die Politiker manchmal gerne auf die Museumspolitik – und dies zu Unrecht, denn sie verwechseln dabei Äpfel mit Birnen: dass bei der Ausstrahlung einer Tatort-Folge, die in Münster spielt (WDR-Produktion!) schon mal 13 Mill. Zuschauer an einem einzigen Sonntagabend vor dem Apparat sitzen, kann man ja nun strukturell nicht als Vergleich heran ziehen, dass alle rund 6.000 Museen in Deutschland pro Jahr zusammen nur etwa 110 Mill. Besucher zählen.


WEITERE NACHRICHTEN

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
KUNSTFORUM Probe lesen

„KUNSTFORUM ist ein Magazin, das so gut wie jedes Thema, das wichtig ist, beackert hat, und es ist so umfangreich, dass ich manchmal noch einmal in Heften von vor zehn Jahren schaue, und nicht selten erweist sich Kunstforum als eine Fundgrube…“ – Kasper König

Jetzt nur noch kurz bestätigen...

Wir freuen uns über Ihr Interesse am KUNSTFORUM Newsletter! Sie haben nun eine E-Mail an die von Ihnen angegebene Adresse bekommen, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über den Link!

OK
BIENNALE
GUIDE 2024
JETZT
BESTELLEN