US-Museum protestiert gegen AfD-Wahlplakat
Das Gemälde Le Marché d’esclaves (Der Sklavenmarkt) des Malers Jean-Léon Gérôme (1866) gehört zur Sammlung des amerikanischen Museums Clark Art Institute in Williamstown/Massachusetts. Dessen Direktor Olivier Meslay protestierte gegen die Verwendung dieses Bildes als Wahlkampfplakat der Berliner AfD, kombiniert mit dem Slogan „Damit aus Europa kein ‘Eurabien’ wird“. Der Historienmaler Gérôme (1824-1904) war ein führender Vertreter des Orientalismus im 19. Jh. Er unternahm zwar 1854 eine Reise in die Türkei und 1857 eine nach Ägypten; doch das Museum erläutert in einem Info-Heft, es sei „unwahrscheinlich, dass der Künstler eine solche Szene je gesehen hat, da es kaum eine bis keine zuverlässige Dokumentation solcher Sklavenmärkte gibt“. Das Bild zeigt eine nackte Frau, die von bärtigen Turban tragenden Männern begutachtet wird – für das Online-Magazin „Bento“ ist dies ein Beispiel dafür, „wie unser Blick auf den Orient… von Klischees geprägt“ sei. Im 19. Jh. projizierte man kolonialistische Vorstellungen und Sehnsüchte nach Exotismus auf solche Motive und erotisierte sie in diesem Fall auch auf eine schwülstige Weise. Das Bild kommuniziere aber kein reales „arabisches Alltagsleben, sondern die Wünsche des lüsternen europäischen Publikums“, schreibt die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Isra Ali dazu. Und bei der Autorin Linda Nochlin („The Imaginary Orient“) kann man gleichfalls nachlesen, dass zu Lebzeiten Gérômes der Orient keineswegs so rückständig war, wie der Maler ihn darstellt und wie man offensichtlich heute noch bei der AfD glaubt – denn seit 1869 fuhren auf dem dem Suezkanal Dampfschiffe und bescherten der Region einen Aufschwung im Handel. Zigarettenfabriken, nicht Sklavenmärkte seien für Ägypten in jener Zeit ein prägender Wirtschaftsfaktor gewesen. In einem Brief an den Berliner AfD-Landesverband verwahrte sich Museumsdirektor Olivier Meslay gegen die „Benutzung des Bildes für eine politische Agenda“ und bestand auf Unterlassung; gleichwohl musste Meslay einräumen, dass es 115 Jahre nach dem Tod des Malers kein Urhebernachfolgerecht mehr gibt, durch das die AfD juristisch an der Werknutzung gehindert werden könnte.
Dazu in Band 254 erschienen: