Ungarn: Proteste gegen Akademie-Politik
Grundlagenforschung habe wertneutral zu sein, ein Verwertungsinteresse setzt erst bei der nachträglichen technologischen Umsetzung der Forschungsergebnisse ein. Dieser Grundsatz einer positivistischen Wissenschaftstheorie bestimmte schon seit dem Zeitalter der Aufklärung das Selbstverständnis der Akademien – auch das Verständnis von Freiheit der Lehre und Forschung. Bislang galt dies auch für die Ungarische Akademie der Wissenschaften (Magyar Tudományos Akadémia), die 1825 in Pressburg/Bratislava gegründet wurde und seit 1865 ihren Sitz in Budapest und bis heute 42 Nobelpreisträger hervorgebracht hat. Doch geht es nach dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dann verwaltet nun ab 2019 die Akademie ihren Etat nicht mehr autonom, sondern stattdessen das Innovationsministerium: Institute der Akademie sollen sich künftig um Forschungsprojekte bewerben wie in der freien Wirtschaft, und in diesem Wettbewerb konkurrieren sie dann mit anderen Universitäten. Die von Orbán ungeliebten Geisteswissenschaften und die Grundlagenforschung könnten dann leer ausgehen, fürchten Kritiker dieses Modells: Es ginge nämlich nicht nur um „mehr Effizienz“, sondern vor allem auch darum, unbotmäßige Wissenschaftler aus dem Forschungsbetrieb zu drängen. „Spiegel online“ beklagt, die administrative und ideologische Kontrolle des Bildungswesens und der Kultureinrichtungen durch die rechtspopulistische Regierung habe in Ungarn „zu einem bedrückenden Klima im Land geführt“. Gegen das neue Budgetgesetz und gegen die Wissenschaftspolitik der Regierung protestierten soeben 1.500 Demonstranten mit einer Menschenkette rund um das Akademiegebäude. Auch der Europäische Akademiebund ALLEA forderte die ungarische Regierung auf, die Autonomie der Institution zu wahren.