Stückwerk-Performance
Etwas zu voreilig und zu vollmundig kündigten Christoph Kuckelkorn, künstlerischer Leiter des Kölner Rosenmontagszuges, und das Festkomitee Kölner Karneval für den diesjährigen Umzug einen Mottowagen mit „Charlie Hebdo“-Motiv an. Doch dann machten die Obernarren wieder einen Rückzieher: „Im Nachhinein müssen wir erkennen, dass es möglicherweise keine so gute Idee war, den Entwurf so frühzeitig zu präsentieren und damit einen langen Zeitraum für die Entwicklung von Schreckensszenarien zu lassen“. Die kleinlaute Kehrtwendung, auf einen solchen Karnevalswagen für die Freiheit von Satire und Persiflage dann doch lieber zu verzichten, machte die Künstlerin Siglinde Kallnbach zum Thema ihrer „Stückwerk“-Performance anlässlich der Vernissage der Ausstellung „Ritualbilder“ im Kölner Kunstraum „Ba Cologne“. Aus Fotokopien mit der Entwurfszeichnung schnitt sie aus dem Text „Ich bin Charlie“ den Namenszug aus, fügte diese „Zensurschnipsel“ dann in ihre Exponate mit „Ungeschehenen Bildern“ ein und verteilte die Blätter mit dem getilgten Namen ans Publikum. Die Körpersprache und -symbolik war bewusst eindeutig inszeniert: Kallnbach reckte den Arm wie die New Yorker Freiheitsstatue hoch, hielt dabei nicht eine Fackel, sondern Bleistifte als Symbol der Meinungs- und Pressefreiheit hoch. Zugleich erinnerte die Pose auch an das berühmte Bild von Eugéne Delacroix über die Französische Revolution, wobei hier die halb entblößte Brust den Blick auf die Narbe nach einer Brustkrebsoperation frei gab. Seit sie 2011 bei einer Performance an einer Kopfbandage fast erstickt wäre, macht Siglinde Kallnbach keine Aktionen mit physischer Gefährdung mehr und nennt ihre Solo-Auftritte auch nicht mehr „Performance“, sondern Stückwerk.