Streit um Omer Fast-Installation
Omer Fast, in Berlin lebender israelischer Videokünstler, hatte für die James Cohan Gallery in New York die Ausstellung „August“ arrangiert – der Titel bezieht sich auf den Fotografen August Sander (1876-1964). Im Zentrum steht ein 15minütiger Film als fiktives Porträt von August Sander, der in einer fotografischen Enzyklopädie die „Menschen des 20. Jh.“ porträtierte und dabei dokumentierte, wie deren urbane wie bäuerliche Lebenswelt in den 1920er und 1930er Jahren aussah, wobei man eben aus der heutigen Rückschau sehen kann, wie sie sich inzwischen veränderte. Omer Fast konzentriert sich dabei vor allem auf die letzten, bitteren Jahre im Leben von August Sander, der im Alter fast erblindet war und darunter litt, dass sein Sohn in einem Nazi-KZ umgekommen war. Ergänzend dazu hat Omer Fast die Fassade und die Räume der Galerie in ein Ambiente verwandelt, wie dies vor der Gentrifizierung dieses New Yorker Stadtteils ausgesehen haben mochte, nämlich als „Warteraum eines Chinatowngeschäfts einer eklektizistischen Ästhetik“. Auch dieser Raum ist fiktiv angelegt, als künstlerische „Beschäftigung mit Rollenspielen und Zeitreisen“, wie es in einem Ankündigungstext der Galerie heißt. Der Künstler begreift seine Installation als Verweis auf den vergeblichen Versuch, die Zeit zurück zu drehen. Es ginge bei diesem Projekt um „Nachbarschaft, Staatsbürgerschaft und Identität“. Doch dass Omer Fast dies ausgerechnet mit einem kaputten Bargeldautomaten, übervollen Papierkörben und mit Handyhüllen wie in einem Ramschladen illustrierte, rief bei einigen Aktivisten Protest hervor: das Kunstkollektiv „Chinatown Art Brigade (CAB)“ marschierte zusammen mit dem „Committee Against Anti-Asian Violence“ und der Gruppe „Decolonize This Place“ vor der Galerie auf und warf dem Künstler vor, er verbreite rassistische Vorurteile über die Bewohner des Viertels. Seine Installation ähnele nämlich überhaupt nicht dem Fischhandelsladen, der sich bis 2013 in den heutigen Galerieräumen befand, schreibt auch Danielle Wu in einem Blog und verurteilt die Ausstellung: „Fast’s August only serves as another example of how, time and again, art posited as a neutral space exempt from responsibility to the politics of the world can be destructive and bigoted.“ Was Jean Baudrillard in seiner Simulationstheorie formuliert hatte, setzten seit den 1980er/1990er bildende Künstler auf ihre Weise in Fiktionalität um, doch dies bekommt nun im Zeitalter von „Fake News“ eine ganz andere Trennschärfe: bei den frühen Installationen des belgischen Künstlers Guillaume Bijl wurde vor 20 oder 30 Jahren nie nachgefragt, wie authentisch seine detaillierten Nachbildungen von Realräumen des Alltags denn tatsächlich waren. Man akzeptierte sie als künstlerische Leistung unabhängig von irgendwelchen soziologischen Implikationen. Doch beim Streit um Omer Fasts „August“-Projekt, das aus der Sicht des Künstlers a priori durchaus einen politisch-kritischen Charakter hat, artikuliert sich der Versuch, mit ideologisch begründeten Maßstäben im Kunstbetrieb neue Tabus durchzusetzen und dabei die Deutungshoheit für sich zu reklamieren. www.jamescohan.com