Streit um Denkmal

12. Juni 2015 · Kulturpolitik

König Samuil (958-1014) war einer der letzten Zaren des ersten bulgarischen Reiches, bis dieses nach 40jähriger militärischer Auseinandersetzung eine finale Niederlage erlitt. 15.000 bulgarische Krieger wurden gefangen genommen, und die byzanthinischen Herrscher ließen ihnen die Augen ausstechen. Samuil verstab kurz darauf an einem Schlaganfall, und sein Reich zerfiel – es wurde in fünf byzanthinische Provinzen aufgeteilt. Jetzt wurde ihm zu Ehren in Sofia ein mehr als 6 m hohes Denkmal neben der Basilika Sweta Sofia eingeweiht, doch ein bizarrer Streit überlagerte die feierliche Zeremonie: als Anspielung an das Blenden der gefangenen Soldaten hatte der Bildhauer Aleksandar Hajtow dem Herrscher-Denkmal nämlich leuchtende Augen verpasst. Das passt vielen nicht, es regte sich Protest, und Sofias Vize-Bürgermeister Todor Tschobanow dachte allen Ernstes laut darüber nach, mit einer künstlerischen Korrektur in das Werk einzugreifen und die leuchtenden Augen zu ersetzen. Dass auch im EU-Staat Bulgarien das europäische Urheberrecht zu gelten hat, wonach das geistige Eigentum am Werk beim Künstler bleibt und dieser unter Berufung darauf ein „Entstellungsverbot“ durchsetzen kann, ficht den Politiker offensichtlich nicht an. Die Mittel für die Errichtung des Denkmals stellte die Stiftung „Bulgarische Erinnerung“ des Unternehmers und Philanthropen Milen Wrabewski zur Verfügung, und ungeachtet der Kontroverse will die Stiftung noch zwei weitere Denkmäler zu Ehren bulgarischer Herrscher errichten lassen. In der benachbarten Republik Mazedonien ist man über das Samuil-Denkmal in Sofia auch nicht sehr glücklich, denn die Politiker und Historiker im dortigen Skopje betrachten den historischen Samuil als mazedonischen und nicht als bulgarischen Herrscher.


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