Prozess wegen anti-jüdischer Schmähplastik

29. Mai 2019 · Kulturpolitik

Im europäischen Mittelalter war der Antisemitismus vor allem religiös motiviert: in der antijudaistischen christlichen Kunst wurden Juden verhöhnt. Da in der jüdischen Religion das Schwein als unrein gilt und einem Nahrungsmeidungsgebot unterliegt, gab es seit dem 13. Jh. Spottbilder und -plastiken mit einem „Judensau”-Motiv. Eine solche Schmähplastik befindet sich samt goldverzierter Inschrift noch heute an der Stadtkirche von Wittenberg, in der einst Martin Luther predigte. Luther hatte 1543 ein anti-jüdisches Pamphlet „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi” veröffentlicht. Jemanden als „Judensau” zu beschimpfen, wird heute im deutschen und österreichischen Strafrecht als Beleidigung und in der Schweiz nach der „Rassismus-Strafnorm” juristisch geahndet. Dennoch wies kürzlich das Landgericht Dessau-Roßlau in einem zivilrechtlichen Verfahren eine Klage auf Entfernung des Reliefs ab. Der Kläger fühlte sich durch die Plastik beleidigt, musste sich jedoch vom Gericht vorhalten lassen, die Kirchengemeinde betreibe „keine aktive Beleidigung“, denn sie habe das Relief nicht angebracht, sondern es sei ein Teil eines denkmalgeschützten Gebäudes, daher habe der Kläger „keinen Anspruch auf Beseitigung“. Immerhin wurde unterhalb des Reliefs 1988 eine Gedenkplatte angebracht, die auf die Folgen des Judenhasses aufmerksam macht, und die als „Bestandteil einer ‘Gedenkkultur’“ anzusehen sei. Laut „katholisch.de“ distanziert sich die Evangelische Kirchengemeinde Wittenbergs von dem Relief, das sie als „Schandmal“ bezeichnet, erklärt aber gleichzeitig, „Geschichte lasse sich nicht einfach entsorgen und Unrecht nicht zudecken“ und lehnt daher eine Entfernung ab.

Dazu in Band 258 erschienen:


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