München: NS-Kunst und Avantgarde

6. August 2015 · Museen & Institutionen

Die Idee, Nazi-Kunst aus den 1930er Jahren und gleichzeitige Positionen der verfemten Avantgarde gegenüber zu stellen, ist äusserst heikel: als eine Arbeitsgruppe am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn Ende der 1980er Jahre eine solche Ausstellung konzipierte, weigerte sich Emil Schumacher, zusammen mit Arno Breker ausgestellt zu werden. Auch heute kann man darüber diskutieren, ob es für die Opfer, die von der NS-Kunstpolitik verfolgt wurden, posthum eine Zumutung wäre, zusammen mit den damals staatskonformen Künstlern als kulturpolitisch verlängerter Arm der Täter zusammen in einem Museum präsentiert zu werden. Zumal der „Schamhaar-Realismus“ eines Adolf Ziegler und andere Elaborate der NS-Ästhetik aus heutiger Sicht weniger als Kunst, sondern vielmehr als Propaganda-Kitsch, mithin allenfalls als politisches Kunstgewerbe einzuordnen wären. In der Münchener Pinakothek der Moderne hat man jetzt solch ein heikles Projekt auf die Schiene gesetzt: die Ausstellung „GegenKunst“ stellt Adolf Zieglers Triptychon „Die vier Elemente“ (ca. 1937) im Stil des NS-Realismus und Max Beckmanns expressive „Die Versuchung des Hl. Antonius“ (1936/37) gegenüber, Josef Thoraks muskulös-martialischen und pathetisch überhöhten Doppelakt („Zwei Menschen“, 1941) und Otto Freundlichs „Der Aufstieg“ (1929): die Nazis diffamierten die stilistische Formvereinfachung der Freundlich-Plastik im Sinne der Moderne als „typische Merkmale jüdischer Physiognomie“. Otto Freundlich wurde 1943 im KZ Lublin-Maidanek ermordet. Zum Ausstellungskonzept heißt es, „GegenKunst“ wolle „durch die exemplarische Gegenüberstellung von NS-Kunst und ‘entarteter Kunst’ ein Spannungsfeld erzeugen, in dem die Stilmerkmale und Motive nationalsozialistischer Kunst in der bewussten Konfrontation mit Meisterwerken der Avantgarde deutlich erkennbar werden. Gleichzeitig wird der gezielt herbeigeführte Bruch der Moderne mit den akademischen Kunsttraditionen des 19. Jahrhunderts, auf die die NS-Kunst erneut zurückgreift, nachdrücklich sichtbar. Jenseits der Dämonisierung oder Verharmlosung werden Kontexte geschaffen, um nationalsozialistische Kunst auch im Kunstmuseum als Ort ästhetischer Reflexion und Diskussion präsentieren zu können.“ Die Ausstellung läuft noch bis zum 31. Januar 2016. www.pinakothek.de


WEITERE NACHRICHTEN

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
KUNSTFORUM Probe lesen

„KUNSTFORUM ist ein Magazin, das so gut wie jedes Thema, das wichtig ist, beackert hat, und es ist so umfangreich, dass ich manchmal noch einmal in Heften von vor zehn Jahren schaue, und nicht selten erweist sich Kunstforum als eine Fundgrube…“ – Kasper König

Jetzt nur noch kurz bestätigen...

Wir freuen uns über Ihr Interesse am KUNSTFORUM Newsletter! Sie haben nun eine E-Mail an die von Ihnen angegebene Adresse bekommen, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über den Link!

OK
BIENNALE
GUIDE 2024
JETZT
BESTELLEN