Mississippi: ein anthropozäner Fluss
Paul Crutzen und Eugene Stoermer brachten im Jahr 2000 den Begriff „Anthropozän“ in die wissenschaftliche Diskussion ein: er bezeichnet eine geochronologische Epoche, in der der Mensch in die geologischen und anderen natürlichen Abläufe der Erde eingreift und damit den Planeten nachhaltig verändert: Artensterben, Verdrängung der Vegetation oder auch eine Übersäuerung der Ozeane sind die Begleiterscheinungen. Bis 2021 will die internationale Wissenschaft sich auf einen geologischen Startpunkt des Anthropozäns geeinigt haben: beginnt diese Epoche erst mit der Industrialisierung vor etwa 250 Jahren oder schon früher? Das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) und das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) haben soeben ein Langzeitprojekt „Mississippi. An Anthropocene River“ begonnen, um „das planetarische Phänomen Anthropozän vor Ort am Mississippi lesbar zu machen und seine globalen Verbindungslinien aufzuzeigen. Das Projekt untersucht die menschlichen Einflüsse auf die Mississippi-Region und macht dieses Mensch-Umwelt-System in seinen historischen, sozialen und ökologischen Transformationen erfahrbar. Der mäandernde Strom des Mississippi ist mythisch aufgeladene Landschaft, Symbol für das menschliche Eingreifen in die Natur und gleichzeitig konkrete Lebensgrundlage. Über Jahrhunderte war er eine Wasserstraße der kolonialen Ausbeutung, an seinen Ufern lagen die historischen Zentren von Plantagenwirtschaft und Sklaverei. Der Strom ist ständig wandelndes Ökosystem, Verkehrsader für Rohstoffe und Waren und Ablagerungsgebiet für Sedimente und Schadstoffe zugleich. Heute reicht die menschliche Überformung der Flusslandschaft von den Forstgebieten am oberen Flusslauf über die industrielle Landwirtschaft des Mittleren Westens bis zu den Petrochemie-Zentren im Delta und in die sauerstoffarmen ‘Totzonen’ im Golf von Mexiko…“ In Essays, Fotos, Podcasts, Videos und anderen Formaten lässt sich das Projekt auf der Internet-Plattform anthropocene-curriculum.org verfolgen. http://anthropocene-curriculum.org
Dazu in Band 258 erschienen: