Lücken in der East Side Gallery

30. Juli 2015 · Kulturpolitik

2016 soll der erste Spatenstich erfolgen: Die Anschutz Entertainment Group und Mercedes-Benz planen am Spreeufer in Berlin ein neues Stadtviertel mit vier Neubauten. Ab 2018 sollen dort eine Veranstaltungshalle mit 4.000 Besuchern Fassungsvermögen, ein Hotel, eine Bowlingbahn mit 28 Bahnen, ein Groß-Kino mit 2.500 Plätzen und Cafés das Areal beleben. Die nahe gelegene 02World-Arena ist bereits im Sommer 2015 nach dem Namen des Autokonzerns umbenannt worden, der Platz davor ebenfalls. Beim Bau der Halle wurde bereits 2006 ein 41 Meter langer Teil aus dem längsten noch erhaltenen Teilstück der Berliner Mauer herausgelöst: damit soll ein ungehinderter Blick auf die Spree garantiert werden, obwohl dieses als „East Side Gallery“ bemalte Mauerstück seit 1991 unter Denkmalschutz steht. Doch anstatt Street Art wird künftig ein 1.000 qm großes Fontänenfeld diesen Platz im Sinne einer Investoren-Ästhetik optisch akzentuieren. Da Mercedes Benz seinen Markenshop „Mercedes me Store“ künftig in das neue Entertainment-Viertel verlegen will, kursieren Überlegungen, ob auch die „Fashion Week“ dann vom Brandenburger Tor dorthin umzieht. Die Planer rechnen jedenfalls mit einer Belebung des neuen Viertels durch 4.000 Anwohner und 20.000 Menschen, die in Büros und in den Freizeitbetrieben ihrer Arbeit nachgehen. Street Art-Künstler gehören allerdings nicht zu dieser Klientel und wohl auch nicht zu den Kunden, die man später in das Einkaufszentrum an der Warschauer Straße locken will, mit dessen Bau man in den kommenden Wochen im Herbst 2015 beginnt. Was sich bereits seit einem Jahrzehnt in Friedrichshain baulich verändert und nun auch noch unverhohlen einen US-Standard à la Las Vegas aufgepfropft bekommt, löste bei den Kiezbewohnern in den benachbarten Straßenzügen schon längst Unbehagen aus, und auch gegen das Ramponieren der East Side Gallery gab es Proteste: direkt an der bemalten Mauer ist im Herbst 2015 ein 14 Etagen hohes Haus mit Luxuswohnungen bezugsfertig. Als Zufahrt zu dem Hochhaus klafft nun eine sechs Meter große Lücke in dieser Mauer. Hans Panhoff (Grüne), Baustadtrat des Bezirks, will in Verhandlungen verhindern, dass Maik-Uwe Hinkel, Investor des Hochhauses, die Mauerlücke gar auf 21 Meter erweitert, was er von Rechts wegen her dürfte. Hinkel hatte bis zum Frühsommer 2015 bereits 80 Prozent der Wohnungen verkauft. Wenn Panhoff sich nicht rasch mit Hinkel über die Lücke in dem Mauer-Denkmal einigt, müsste er daher ab Herbst 2015 mit der Eigentümerversammlung weiter verhandeln, was für ihn weitaus schwieriger werden dürfte. Außerdem will Panhoff erreichen, dass Hinkel die Mauerlücke nach fünf Jahren wieder schließt, wenn dann ein anderer Investor für ein Hotel gleich nebenan eine gemeinsame Zufahrt zu seinem Gebäude und zu Hinkels Hochhaus angelegt hat. Doch der Baubeginn für das Hotel verzögert sich, und so ist derzeit völlig offen, wie die East Side Gallery in fünf oder zehn Jahren aussehen wird.


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