Istanbul: Streit um Hagia Sophia

12. Januar 2017 · Kulturpolitik

Mustafa Kemal Atatürk, Gründer der modernen Türkei, erklärte die Hagia Sophia 1935 zum Museum. Die seit dem Jahr 641 als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser genutzte Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel war nach 1453 Hauptmoschee der Osmanen. Die demonstrative Umwandlung in ein Museum war Teil der Politik Atatürks, eine säkulare Gesellschaftsordnung zu etablieren. Vor einigen Wochen jedoch ernannte die Religionsbehörde Diyanet den muslimischen Geistlichen Önder Soy zum Imam für die Hagia Sophia, und inzwischen ertönt dort auch zweimal täglich der Aufruf des Muezzins zum Gebet. Bereits seit 1991 gibt es dort einen Gebetsraum, der aber nur selten benutzt wurde, weil die Hagia Sophia nicht in einem Wohnviertel liegt. Jetzt aber wird dieser Gebetsraum stärker frequentert, vor allem von Touristen aus arabischen Ländern. Offiziell ist das Gebäude immer noch ein Museum, doch Pater Dositheos, Sprecher des griechischen Patriarchats von Konstantinopel, unterstellt der Regierung Erdogan, sie wolle mit einer „geschickten Inszenierung“ diesen Status „in Frage stellen“. Selina Özuzun Dogan, führende Politikerin der kemalistischen Oppositionspartei CHP, setzt sich dafür ein, das Kulturdenkmal weiterhin „religionsunabhängig“ zu nutzen. Kritik an der Vereinnahmung durch Präsident Erdgans Religionspolitik mit einer nationalistischen Interpretation als Symbol für die Eroberung Konstantinopels 1453 äusserte schon im Sommer vergangenen Jahres auch das griechische Außenministerium. Der kulturelle Streit ist mit einer gewissen Brisanz ein Nebenschauplatz in den aktuell zunehmenden politischen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland – Erdogan stellt verbal den Vertrag von Lausanne 1923 in Frage und beansprucht für sein Land Inseln in der Ägäis, die seit 1923 zu Griechenland gehören.


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