Istanbul Biennale

27. Juli 2015 · Biennalen

Am 5. September 2015 wird die Istanbul Biennale eröffnet (bis 11. Nov. 2015). Sie wird von der Istanbul Stiftung für Kunst und Kultur organisiert und von Carolyn Christov-Bakargiev künstlerisch-konzeptuell betreut. Hatte sie den Biennalen-Rummel früher kritisch betrachtet, so sieht Christov-Bakargiev in solchen Veranstaltungen nunmehr wichtige Plattformen des Austauschs, um Visionen über die Zukunft zu kommunizieren, oder um mit neuen Lebensformen zu experimentieren. Und nicht zuletzt durch diese Istanbul-Biennale sei die türkische Gegenwartskunst erst in den Fokus einer internationalen Wahrnehmung geraten, sagte sie einmal in einem Interview. Welchen Beitrag zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft diese Biennale gerade im heutigen politischen Klima der Türkei leisten könnte, so wie die Kuratorin es sich wünscht, bleibt indes abzuwarten. Der Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hielt jedenfalls unlängst eine stark nationalistisch eingefärbte Rede zum 562. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels, und laut einem Bericht der „Welt“ heizte er dabei vor seinem Millionenpublikum die Stimmung mit den Worten an: „Eroberung heißt Mekka. Eroberung heißt Sultan Saladin, heißt, in Jerusalem wieder die Fahne des Islams wehen zu lassen“. Die „Süddeutsche Zeitung“ resümmierte, seit Kemal Atatürk habe kein anderer Politiker die Türkei so stark verändert wie Erdogan mit seiner religiös-konservativen Partei AKP. Nun ist das kulturpolitische Klima in der Metropole Istanbul etwas liberaler, weltlicher und westlicher als in den meisten anderen Regionen des Landes, doch hochpolitisch ist diese Biennale aber auch dort allemal. Sie bietet mit ihrer internationalen Atmosphäre gewiss einen Freiraum, doch die Frage bleibt offen, ob jene Diskussionen über Umwelt- und Wachstumspolitik, die Christov-Bakargiev und die eingeladenen Künstler anstoßen wollen, dort anschließend auch außerhalb der Biennale einen Niederschlag in den gesellschaftlichen Debatten finden. Die künstlerische Leiterin plädiert z.B. für ein Umdenken zugunsten einer Wirtschaftspolitik der Schrumpfung, doch das ökonomische Konzept der AKP ist modernistisch ausgerichtet und damit wachstumsorientiert, und gerade auf der ökonomischen Prosperität der letzten Jahre stützten sich Erdogans autokratischer Führungsstil und die Wahlerfolge seiner Partei. Kein anderes Land in Europa, in dem Biennalen mit progressiver Gegenwartskunst ausgerichtet werden, bietet jedenfalls derzeit soviel intellektuelles Konfliktpotenzial.


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