Großprojekte: Mangelnde Akzeptanz

4. Dezember 2015 · Kulturpolitik

Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte ausdrücklich die Entscheidung des documenta-Leiters Adam Szymczyk, die nächste Veranstaltung dieser Reihe 2017 gleichberechtigt in Kassel und Athen stattfinden zu lassen. „Groß“ sei unterdessen auch die „Vorfreude in Athen“, berichtete die HNA-Niedersächsische Allgemeine über das Presseecho in den griechischen Zeitungen, während Kassels OB Bertram Hilgen bei der Pressekonferenz in Athen allerdings einräumen musste, in Kassel selbst werde „die Diskussion darüber zwiespältig“ geführt. Nachdem Hamburgs Bürger in einem Volksentscheid eine Bewerbung um die Olympischen Spiele ablehnten, hieß es in vielen Kommentaren, die Akzeptanz für teure Großereignisse nehme bei der Bevölkerung mehr und mehr ab. Ohne Bürgerbeteiligung „wird es für Unternehmen und Behörden immer schwieriger, Akzeptanz für Infrastruktur- und Großprojekte zu erlangen“ prognostizierten schon vor einiger Zeit die Autoren einer Akzeptanzstudie im Auftrag der RWE AG. Eine erneute Olympia-Bewerbung mag auf absehbare Zeit hier zu Lande wohl tatsächlich nicht mehr zum Erfolg führen, hat doch der Ruf von solch globalen Sport-Events durch Doping- und Korruptionsskandale in letzter Zeit arg gelitten. Bei Kunst-Festivals wie der documenta sieht das jedoch anders aus: weder laufen hier die Kosten für Prestigebauten aus dem Ruder wie derzeit bei der Hamburger Elbphilharmonie (von ursprünglich kalkulierten 77 Mill. auf mittlerweile 789 Mill. Euro) oder bei der Kölner Opernsanierung (460 Mill. anstatt 235 Mill. in ersten Berechnungen), noch müssen Kassels Einwohner fürchten, das alle fünf Jahre stattfindende hessische Kunstspektakel werde zu einer Gentrifizierung ganzer Stadtteile und damit zu einem exorbitanten Anstieg der Mieten führen, was bei den Hamburger Olympia-Gegnern indessen ein Hauptargument war. Im Gegenteil: Kassels Einzelhandel und Gastronomie profitieren von den wirtschaftlichen Sekundäreffekten, welche die 600.000 bis 700.000 Besucher in den documenta-Sommern der Stadt immer wieder bescheren. Deswegen rät Ulrich Müller, Geschäftsführer einer PR-Agentur mit drei Standorten in Österreich: „Das Investitionsvorhaben darf niemals als Selbstzweck gesehen werden, sondern muss einem klaren Ziel dienen. Mit diesem Ziel können sich im Idealfall alle identifizieren. Den Nutzen haben nicht nur einige wenige, sondern die Allgemeinheit“. Gestritten wird in Kassel daher höchstens über das eine oder andere als allzu sperrig empfundene Kunstwerk, nicht jedoch über den wirtschaftlichen Nutzen eines solchen Ereignisses an sich. Erhöhen partizipative und interaktive Kunstprojekte die inhaltliche Akzeptanz des Gesamtprogramms bei solchen Festivals? Entscheidend für eine positive Publikumsresonanz ist bei solchen Mammut-Projekten wohl eher die inszenatorische Präsentation, Kunst sinnlich erfahrbar zu machen.


WEITERE NACHRICHTEN

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
KUNSTFORUM Probe lesen

„KUNSTFORUM ist ein Magazin, das so gut wie jedes Thema, das wichtig ist, beackert hat, und es ist so umfangreich, dass ich manchmal noch einmal in Heften von vor zehn Jahren schaue, und nicht selten erweist sich Kunstforum als eine Fundgrube…“ – Kasper König

Jetzt nur noch kurz bestätigen...

Wir freuen uns über Ihr Interesse am KUNSTFORUM Newsletter! Sie haben nun eine E-Mail an die von Ihnen angegebene Adresse bekommen, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über den Link!

OK
BIENNALE
GUIDE 2024
JETZT
BESTELLEN