Gaunerwörterbuch

19. Juni 2016 · Aktionen & Projekte

Wer weiß heute noch, dass Dadaisten wie die Berliner Collagistin und Fotokünstlerin Hannah Höch oder John Heartfield in ihren Arbeiten gerne Begriffe aus dem Rotwelschen einfließen ließen? „Rotwelsch“ ist ein Sammelbegriff für Sozio-Dialekte oder -Jargons im Deutschen, und dazu zählt z.B. auch die Gaunersprache: seit dem 17. Jh. gilt ein Falschspieler als „Jauner“, unklar ist allerdings, ob das Wort sich aus dem frühen neuhochdeutschen Wort „junen“ (=spielen) oder aus dem Jiddischen ableitet, wo „Jowen“ das alte Griechenland („Ionien“) bezeichnet. „Ausbaldowern“ für auskundschaften, „Bulle“ für Polizist (aus dem niederländischen „bol“ = kluger Kopf), „Polente“ für Polizei oder „Kohldampf“ für Hunger sind Vokabeln aus dieser rotwelschen Gaunersprache, die in der heutigen deutschen Umgangssprache zwar altmodisch klingen, aber durchaus noch geläufig sind. Der Dadaist Walter Serner gab nicht nur 1927 ein „Handbrevier für Hochstapler“ heraus, sondern er etikettierte auch sein Theaterstück „Posada“ 1927 als „Gauner-Stück“ und gab unter dem Titel „Das fette Fluchen“ ein „Gaunerwörterbuch“ heraus. Der Kriminologe Hans Gross hatte schon 1893 in seinem „Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik“ die Gaunersprache zu erfassen versucht. Der Berliner Künstler Hans Winkler erforscht die Spuren der Dadaisten in Tirol: dort trafen sich Max Ernst und Hans Arp aus Köln, André Breton, Tristan Tzara und Paul Eluard aus Paris Anfang der 1920er Jahre mit ihren Frauen zum Wintersport in Tarrenz, hielten dort auch Dada-Kongresse ab, unternahmen ebenso Ausflüge nach Imst und Innsbruck. Auch Jenesien in Südtirol steht auf Winklers Agenda, denn hier hielt sich der Schriftsteller Franz Held längere Zeit auf, Vater der Berliner Dadaisten Wieland Herzfelde und John Heartfield. Im Rahmen des Projekts HEHEHE DADAgelage hat Hans Winkler in einer Bergstation eine Bibliothek mit Fotos, Texten und Büchern über die Tirol-Aufenthalte der Dadaisten eingerichtet und dabei einen Schwerpunkt auf ihre Beschäftigung mit der Gaunersprache gelegt. Die Bibliothek verbleibt dort bis 2017.


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