Flaggenstreit

20. Dezember 2015 · Aktionen & Projekte

Die einen haben eine „Schere“ im Kopf und vermeiden klare Bekenntnisse, um nicht Beifall von der falschen Seite zu bekommen, die anderen tun dies aus Angst vor den Drohungen der Fanatiker. Nach den Terroranschlägen in Paris hat sich im Laufe des Jahres 2015 auch in Deutschland das innenpolitische Klima arg verschärft. Die einen weichen zurück und manche unter ihnen überlegen gar ernsthaft, ob man die traditionellen Umzüge von Kindern zum St. Martinstag nicht lieber „Lichterfest“ nennen solle, um Nicht-Christen nicht zu irritieren. Die anderen hetzen und schmähen verbal in den Sozialen Medien auf manchmal übelste Art gegen liberale Politiker und sogenannte Gutmenschen. In dieser aufgeheizten Stimmungslage wollte der Freiburger Künstler Piotr Iwicki im dortigen Kunstverein seine Installation „Flag“ (Flagge) zeigen. Angeregt zu einem „Gegenentwurf“ hatte ihn die Schwarze Flagge der Terror-Milizen des Islamischen Staates (IS), die sie überall in den von ihnen eroberten Gebieten hissen. „Sie hat in der Mitte ein ovales weißes Feld mit einem schwarzen Schriftzug darin und darüber einen weiteren Schriftzug – in weiß auf schwarzem Grund. Zu lesen ist, in arabischen Lettern, das islamische Glaubensbekenntnis.“ In leicht arabisierenden lateinischen Buchstaben hat Iwicki den Text durch einen Warnhinweis ersetzt: „Warning! Black and white only seeing in colors will be punished by death.“ (Sinngemäß übersetzt: “Warnung ! Wer nicht bereit ist, die Welt nur in Schwarz und Weiß, statt auch in Farben zu sehen, wird mit dem Tode bestraft“). Der Künstler betont, er wolle damit keine Religion oder Gruppe beleidigen, sondern auf die problematische Sicht eines undifferenzierten Schwarz-Weiß-Denkens aufmerksam machen. Es sei ein Statement explizit nicht nur gegen den IS, sondern „gegen alle totalitären Systeme“. Der Freiburger Kunstverein indes beschloss, „aus Sicherheitsbedenken“ dieses Werk nicht auszustellen. „Piotr Iwicki respektiert die Entscheidung des Kunstvereins, weist aber darauf hin, dass damit zugleich das Grundrecht der Kunstfreiheit, festgeschrieben in Artikel 5 des Grundgesetzes, nicht verteidigt, sondern preisgegeben wird“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung. Stattdessen durfte der Künstler dann seine Fahne im Eingangsbereich des Freiburger E-Werks aufhängen.


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