Diskussion über anti-russischen Kulturboykott
Schweigen ist für viele Kunstschaffende in Russland keine Option. Offene Kritik, Forderungen und Äußerungen gegen das Putin Regime sind in diesen Tagen gefährlich und dennoch ergreifen die Kulturschaffenden das Wort. So berichtet ND-Aktuell: “Bereits kurz nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine wurde ein offener Brief gegen den Krieg ins Netz gestellt, der innerhalb weniger Tage von rund 18 000 russischen Künstler*innen und Kulturschaffenden unterzeichnet wurde.” Auch wenn eine öffentliche Kritik gefährlich ist, stehen doch einige Kunstschaffende auf, wie die russische Künstlerin Olive Allen. Auf Twitter schrieb sie »Ich habe meinen Pass verbrannt, weil ich nicht an Putins Russland glaube und den Krieg in der Ukraine nicht unterstütze.« Als NFT versteigerte sie “den brennenden Pass” für vom Krieg Betroffene in der Ukraine. Auch auf der Biennale in Venedig wird es in diesem Jahr keinen russischen Pavillon geben. Die Künstler*innen Alexandra Sukhareva und Kirill Savchenkov distanzierten sich klar auf Social Media: »Es gibt keinen Platz für Kunst, wenn Zivilisten unter dem Beschuss von Raketen sterben, wenn sich ukrainische Bürger in Bunkern verstecken und wenn russische Demonstranten zum Schweigen gebracht werden.« Gleichzeitig birgt ein Boykott Russlands auch die dortige Kulturszene im Ganzen auszuklammern. So kappen u.a. hiesige Museen ihren Kontakt zu Partnerinstitutionen in Russland: „Es ist der Angriffskrieg Russlands, der diesen Kontaktabbruch ausgelöst hat – aber der russischen Kultur droht jetzt eine unbefristete Quarantäne“, bilanzierte „Die Welt“. Doch wie weit kann und sollte ein solcher Boykott gehen, wenn unter ihm auch diejenigen leiden, die sich offenkundig regimekritisch äußern? So gibt der ukrainische Filmemacher Sergei Loznitsa zu bedenken: „Wir dürfen Menschen nicht nach ihren Pässen beurteilen“. Und auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) wehrt sich gegen einen „Generalverdacht gegenüber russischen Künstlerinnen und Künstlern und auch allgemein gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die aus Russland stammen“.