Bühne frei für die Stage Bregenz

Auftakt der zweiten Ausgabe der Messe für zeitgenössische Kunst im Festspielhaus Bregenz im österreichischen Vorarlberg
Von Julia Stellmann
Es ist erst die zweite Ausgabe der Messe in Bregenz und doch weiß Leiter Renger van den Heuvel nicht nur mit dem ungewöhnlichen Setting im Festspielhaus zu überzeugen. Während draußen auf der Seebühne noch die verschneite Kulisse vom „Freischütz” auf erneute Bespielung wartet, heißt die Stage mit 48 Galerien aus 11 Ländern im Innern des Gebäudes willkommen. Für das Publikum führt der Weg vom mit roten Samtsesseln bestückten Zuschauerraum gemäß dem Namen der Messe unmittelbar auf die Hauptbühne. Im vergangenen Jahr noch mittels Stellwänden verschlossen, öffnet sich nun der Blick auf die leeren Zuschauerränge. Die von Hana Ostan-Ožbolt-Haas kuratierte Sektion macht den Anfang und inkludiert skulpturale Positionen von sieben Künstlerinnen aus dem osteuropäischen Kulturraum – ein bei der Vienna Contemporary im vergangenen Jahr ebenso gesetzter Fokus. Teils eigens für die Stage geschaffene Arbeiten stellt ein begleitender Text unter das verbindende Thema „Tensions“. Laut der slowenischen Kuratorin soll es innerhalb der Sektion um die skulpturale Materialisierung der „Polykrise“ in der Welt gehen. Obwohl ein für Messen typisch an aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen andockendes, aber diffus gehaltenes Thema gewählt wurde, überzeugen die installative Arbeit von Eva Koťátkova bei der Prager Galerie Hunt Kastner, welche den tschechischen Pavillon auf der Venedig-Biennale 2024 bespielte sowie die raumgreifenden Skulpturen von Zsófia Keresztes bei ACB Galéria aus Budapest, die 2022 Ungarn in Venedig repräsentierte. Die Berliner Galerie Office Impart zeigt zudem bestickte Fake-Luxus-Textilien der in Berlin als Tochter albanischer Eltern geborenen Anna Ehrenstein. Nicht ganz einfach gestaltet es sich, die offene Hauptbühne zu bespielen, droht der weitläufige Zuschauerraum selbst monumentale Skulpturen zu dominieren.
An die Hauptbühne schließt die von Schweizerin Camille Regli kuratierte Sektion auf den Seitenbühnen an. Sie wählte ein greifbareres Thema, knüpft an das Narrativ des für eine Kunstmesse ungewöhnlichen Austragungsortes an. Mit „Spectāre“ rückt der Akt des Betrachtens ins Zentrum, stellt Regli je zwei Positionen zusammen, trennt die unterschiedlichen Räume mittels dunkler Vorhänge. Mehr Black Box als White Cube profitiert die Messe im Festspielhaus von vorhandener Technik und präziser Lichtführung. Besonders deutlich wird der Bezug zum Theater anhand der Arbeiten von Laura Schawelka bei der Wiener Galerie Zeller van Almsick. Ihre fotografischen „Props“ spielen auf im Theater gebräuchliche Requisiten an, eine Videoarbeit zeigt in spiegelnden Oberflächen u.a. die Künstlerin selbst. Großformatige Installationen von Thomas Liu Le Lann bei Xippas Galleries und Bianca Millan bei Castiglioni Milan regen dagegen zum institutionellen Kauf an. Am Stand der französischen Galerie Parliament findet sich eine besonders qualitative Auswahl an fotografisch festgehaltenen Armbanduhren von Alfredo Aceto, kleinformatigen Malereien von Guillaume Valenti und einer feingliedrigen Zeichnung von Achraf Touloub.
Von den kuratierten Sektionen führt eine Treppe nach unten zur Werkstattbühne. Auf dieser verteilt sich die Hauptausstellung auf zwei Etagen und schließt vornehmlich Galerien aus der Vierländerregion Bodensee mit Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz ein. Neben für Messen typischer Kunst aus Neonröhren, Amazon-Kartons und seichter Abstraktion in Petersburger Hängung, kann die Messe mit einigen Ständen aufwarten, die sich ebenso in die kuratierte Sektion eingefügt hätten. Die Kölner Galerie fiebach, minninger zeigt beispielsweise eine Einzelpräsentation des in München geborenen Künstlers Tobias Hauser. Feinsinnige Schnitzreliefs aus Naturholz oder mitteldichter Faserplatte (MdF) entspinnen ein ineinander verschlungenes Wurzelwerk, legen sich über vergrößerte Vorzeichnungen, bilden an anderer Stelle eine üppige Blätterwand hinter Glas wie im Schneewittchensarg aus. Auf grünem Podest erhebt sich eine in Bronze gegossene Abformung einer Hütte, deren Original sich nach Stationen u.a. in Berlin mittlerweile im Garten des Künstlers befindet. Sie nimmt Bezug auf „Walden“ des amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau, der im 19. Jahrhundert der Zivilisation den Rücken kehrte und zwei Jahre in eine kleine Hütte am Walden-See in den Wäldern von Concord verbrachte. Er gilt als Aussteiger und Vorläufer der Hippie- und Landkommunenbewegung. Der Rückzug in die Natur fernab digitaler Erreichbarkeit scheint heute aktueller denn je zu sein.
Die in Vorarlberg beheimatete Galerie Brugger zeigt eine Auswahl an aufstrebenden jungen Positionen wie zum Beispiel eine lichte Figur von Oliver Laric oder eine frühe Arbeit von Billie Clarken. Letztere nimmt in Form eines Nachttopfes direkten Bezug auf Duchamp, nur dass sich im Innern ein Vogelnest vor für die Künstlerin typischer Fotografie im Hintergrund windet. Von Lukas Thaler präsentiert die Galerie zudem skulptural anmutende Bildtableaus aus Acrylharz. Die in Düsseldorf beheimatete Cosar Gallery greift dagegen das gegebene Setting mit einem Vorhang von Erika Hock auf, verbirgt ihren Stand hinter der halbdurchsichtigen Fadenarchitektur. Dahinter finden sich geometrische Arbeiten der Künstlerin Irina Ojovan. Scharf zeichnen sich ihre schablonenartigen Elemente auf mal olivgrünem, mal blassgelbem Farbhimmel ab. Im oberen Geschoss dürfen Interessierte am Stand der italienischen Galerie Doris Ghetta auf einem von Sophie Hirsch gestalteten Stuhl inklusive Sitzfläche und Rückenlehne aus roten Massagebällen Platz nehmen. Aus dieser Perspektive lassen sich die beiden weiteren metallisch eingefassten Arbeiten der Künstlerin ganz nah betrachten. Sie bilden eine Art Materialporträts aus farbig strukturiertem Silikon, das wie gerahmtes Fleisch anmutend. Im vergangenen Jahr noch solo ausgestellt, wird Hirsch nun mit Fotografien und Skulpturen menschlicher Verschränkung mit der Natur von Nona Inescu kombiniert. Wer die Umgebung von Bregenz erkundet, wird im Kunstraum Dornbirn auf weitere Arbeiten von Hirsch treffen.
Am Eröffnungstag herrschte allgemein gute Stimmung. So fühlt sich die Zeit in Bregenz für Teilnehmende beinah wie Urlaub an, auch wenn Verkäufe am ersten Tag vielfach ausblieben. Neben vornehmlich jungen, preiswerteren Positionen finden sich auch einige Arbeiten etablierter Künstler wie Hermann Nitsch, Erwin Wurm oder Günter Brus. Die weltpolitische Lage schlägt sich anhand gestiegener Messekosten und wenig Kaufinteresse jedoch auch 2025 auf dem Kunstmarkt nieder. Mit 205 € pro Quadratmeter Stand gehört die Einladungsmesse Stage allerdings zu den preiswertesten Messen. War am Vormittag noch wenig los, füllten sich die Messehallen im 30.000-Einwohner Ort Bregenz zum Abend hin. Van den Heuvel berichtete von 5.000 Besuchern im vergangenen Jahr, rechnet bei der diesjährigen Ausgabe sogar mit rund 7.000 Besuchern. Zahlreiche Reisegruppen hätten sich aus einem Umkreis von 100 Kilometern für einen Ausflug am Wochenende zur Stage angemeldet. Dafür spricht, dass zum zweiten Mal an der Messe teilnehmende Galerien sich mit den Verkäufen im vergangenen Jahr zufrieden zeigten, von einem heterogenen Publikum aus allen angrenzenden Ländern berichteten.
Das Konzept der Stage scheint aufzugehen. Bregenz ist mit dem Festspielhaus und dem Kunsthaus ohnehin international bekannt für kulturelle Highlights, die Menschen in der Umgebung sind zudem Anfahrtswege zu entfernt gelegenen Städten rund um den Bodensee gewohnt. Das gestiegene Interesse ist aber nicht zuletzt Van den Heuvel selbst zuzuschreiben, der als Netzwerker gilt, das ganze Jahr über für die Messe wirbt, internationale Kuratorengruppen und Freundeskreise einlädt. Beflaggung in der Stadt sowie Performance- und Veranstaltungsprogramm führen darüber hinaus in Bregenz derzeit nicht an der Messe vorbei. Ungünstig für das Fachpublikum gestaltet sich nur der gleichzeitige Start von Stage Bregenz und Spark Art Fair Vienna. Angesichts früherer Verwerfungen des ehemaligen Leiters der Spark Van den Heuvel und der neuen Spark-Leitung sind Vermutungen über ein ungutes Verhältnis der beiden österreichischen Messen naheliegend.
Zuletzt ergibt sich ein Highlight der anderen Art, sobald beim Verlassen des Hauses nochmal der Zuschauerraum betreten wird. Wer in einem der roten Sessel Platz nimmt, kann Interessierte, Sammler, Galeristen und Kunstschaffende auf der Bühne aus der Ferne beobachten. Das Theaterstück Kunstmarkt lässt sich noch bis Sonntag selbst begutachten. Danach fällt der Vorhang, wird voraussichtlich 2026 das nächste Stück aufgeführt.
STAGE Bregenz 2025 – 21. März: 12–19 Uhr; 22. März: 11–19 Uhr; 23. März: 10–18 Uhr
Festspielhaus Bregenz
Platz der Wiener Symphoniker 1
6900 Bregenz, Österreich