Biennale von Venedig - Enwezor gibt Konzept bekannt
Okwui Enwezor hat auf einer Pressekonferenz in München, wo er das Haus der Kunst leitet, sein Konzept für die Hauptausstellung „All the World‘s Future“ auf der Biennale von Venedig (9. Mai bis 22. November 2015) vorgestellt. Enwezor versteht sein Konzept als politisches Statement: „Wie kann die gegenwärtige Unruhe unserer Zeit angemessen begriffen, nachvollziehbar gemacht, untersucht und ausgedrückt werden?“ Ihm gehe es darum, „… einen Mechanismus zu finden, der es ermöglicht, die Gegenwart mit der Geschichte zu verschalten.“ Die historische Perspektive dieser Hauptausstellung liegt in den 1970er Jahren: nach dem Militärputsch gegen den demokratischen Präsidenten Salvador Allende in Chile 1973 hatte die damalige Biennale-Leitung die Kunstschau in Venedig zu einer Solidaritätsveranstaltung gegen das faschistische Pinochet-Regime ausgerufen. Enwezor will den politischen Aspekt jedoch nicht in einer reinen Themenausstellung angehen, sondern sein Projekt von Live-Performances, Einzelpräsentationen, Lesungen und Wochenendseminaren begleiten lassen. So soll z.B. „Das Kapital“ von Karl Marx komplett vorgelesen werden. Für diese Live-Aktionen steht im Hauptpavillon eine „Arena“ als Bühnenraum zur Verfügung, die vom ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye gestaltet wird. U.a. wird auch Olaf Nicolai hier eine Performance inszenieren. Die “Gulf Labor Coalition” wird auf dieser Bühne über die prekären Bedingungen von Bauarbeitern in den Golf-Staaten diskutieren – wie pakistanische Arbeiter beim Bau der Fußballstadien für die WM in Katar behandelt werden, haben schon mehrere Nachrichtensender dokumentiert. Insgesamt beschränkt sich dieses Hauptprogramm aber nicht nur auf den Internationalen Pavillon und die vertrauten Orte im Arsenale, sondern Enwezor hat vor, ebenso die Gartenanlagen in die Präsentation einzubeziehen. Frischen Wind bringt der Kurator zudem durch die Auswahl der eingeladenen Künstler ins Biennale-Geschehen: 88 der 136 Künstler sind nämlich erstmals auf dieser Veranstaltung vertreten. Unter den eingeladenen Künstlern sind u.a. Chantal Akerman (Belgien), Georg Baselitz (Deutschland), Kutlug Ataman (Türkei), Christian Boltanski (Frankreich), Monica Bonvicini (Italien), Tiffany Chung (Vietnam), Maria Eichhorn (Deutschland), Peter Friedl (Österreich), Isa Genzken (Deutschland), Thomas Hirschhorn (Schweiz), Andreas Gursky (Deutschland), Alexander Kluge (Deutschland), Gonçalo Mabundo (Mozambique), Ibrahim Mahama (Ghana), Helen Marten (England), Steve McQueen (England), Oscar Murillo (Kolumbien), Bruce Nauman (USA), Olaf Nicolai (Deutschland), Raha Raissnia (Iran), Joachim Schönfeldt (Südafrika), Mariam Suhail (Pakistan), Rirkrit Tiravanija (Thailand). Die komplette Künstlerliste ist bei www.labiennale.org/en/art/exhibition/artists einzusehen. Den anderen Schwerpunkt der Biennale bilden die Länderpavillons. In diesem Bereich kuratiert z.B. Yilmaz Dziewior den österreichischen Pavillon mit Heimo Zobernig und Florian Ebner den deutschen Pavillon mit Beiträgen von Jasmina Metwaly/Philip Rizk, Olaf Nicolai, Hito Steyerl und Tobias Zielony. Luxembourg wird durch Filip Markiewicz vertreten und die Schweiz durch Pamela Rosenkranz. Auch hier sind einige Länder erstmals in Venedig vertreten, nämlich Grenada, Mauritius, die Mongolei, Mosambik und die Seychellen. Im kommenden „Kunstforum international“ Bd. 232 erscheint ein Interview von Heinz Schütz mit Okwui Enwezor www.labiennale.org