BGH weist Klage im Wittenberger "Judensau"-Streit ab
Dietrich Düllmann hatte die Entfernung eines Sandsteinreliefs von der Wittenberger Stadtkirche verlangt: es stellt eine „Judensau“ dar, ein Motiv, mit dem man in früheren Jahrhunderten die Juden verhöhnte, weil das Schwein in der jüdischen Religion als unrein gilt. Düllmann scheiterte allerdings mit seiner Klage vor dem Bundesgerichtshof BGH und will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Als Maßnahme zur Erläuterung und zur Distanzierung vom antisemisischen Inhalt hält der BGH die Anbringung einer Bodenplatte und einen Aufsteller mit erklärendem Text allerdings für ausreichend: Selbst wenn die bisherigen Einordnungen nicht ausreichen würden, könnte der Kläger „nicht die Entfernung des Reliefs verlangen“, denn die Kirche hätte mehrere Möglichkeiten, den „Störungszustand“ zu beseitigen. Allerdings räumt auch Landesbischof Friedrich Kramer ein, „die gegenwärtige Informationstafel sowie das Mahnmal in Form einer Bodenplatte“ würden heute „nicht mehr dem Anspruch genügen, die Wirkung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Fassade zu brechen“. Eine Umwidmung der Schmähplastik als Mahnmal wird auch sonst von vielen als „nicht ausreichend“ empfunden, so dass die Kirche eine „Weiterentwicklung des Gedenkortes“ angehen müsse. Denn auch Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, fordert, „sowohl die Wittenberger Kirchengemeinde als auch die Kirchen insgesamt müssen eine klare und angemessene Lösung für den Umgang mit judenfeindlichen Plastiken finden.“ Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee findet das BGH-Urteil „enttäuschend“. Für Kirchen wie Museen stellt sich generell die Frage, wie man mit den Hinterlassenschaften aus Epochen umgehen soll, die aus heutiger Sicht als rassistisch gelten oder aus anderen politischen Gründen nicht mehr akzeptabel sind. Kann man nach dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ die missliebigen Seiten der Geschichte visuell einfach ausradieren? Der Historiker Michael Wolffsohn hat dies schon früher verneint: „Was geschehen ist, ist geschehen, und es kann nicht ungeschehen gemacht werden“. Es sei wichtig, „dass wir uns mit diesen Schrecklichkeiten“ der Judenverfolgung „auseinandersetzen. Wenn wir auch die Illustration haben: umso besser. Und dann können wir uns umso klarer davon distanzieren“.