Aus Protest: Attacken auf Denkmäler
Nach dem gewaltsamen Tod zweier Afroamerikaner bei Polizeieinsätzen in Minneapolis und Atlanta gab es weltweite Protestkunstgebungen gegen Rassismus und Polizeigewalt, teils auch schwere Unruhen in den USA und mittlerweile ebenso bilderstürmerische Attacken gegen Denkmäler und Skulpturen im öffentlichen Raum. In der Londoner Straße Whitehall errichtete Sir Edwin Lutyens 1919/1920 einen Kenotaphen zur Erinnerung an die im Krieg Gefallenen. Dort kam es unlängst zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Rechtsextremisten, die vorgaben, das Denkmal gegen „Black lives matter“-Demonstranten schützen zu wollen. Tage zuvor hatten die Behörden veranlasst, aus Sorge vor Beschädigungen die Winston-Churchill-Statue vor dem Londoner Parlament mit einem Bretterverschlag zu ummanteln. In Bristol warfen Demonstranten die Statue für Edward Colston (1636-1721) ins Hafenbecken – der Kaufmann war im 17./18. Jh. an der Versklavung von mehr als 84.000 Menschen beteiligt gewesen. In Köln-Porz sprühten Unbekannte den Schriftzug „RIP George“ auf den Sockel einer Löwenskulptur, die zu einem Denkmal für die Kriegstoten 1914-1918 gehört, und in Mailand übergossen Unbekannte das Denkmal für den Schriftsteller und Journalisten Indo Montanelli (1901-2001) mit roter Farbe. Montanelli wurde zwar Ende der 1930er Jahre aus dem Partito Nazionale Fascista ausgeschlossen, doch das Denkmal verunstaltete eine linke Studentengruppe, weil Montanelli sich in den 1930er Jahren als Kolonialoffizier in Äthiopien eine Kindsbraut „gekauft“ hatte. Während der Mailänder Bürgermeister die Entfernung des Denkmals weiterhin verweigert, mahnt die Autorin Kia Vahland in der „Süddeutschen Zeitung“: „Statuen von Sklavenhaltern und Südstaaten-Generälen können keine multiethnische Demokratie repräsentieren. Aber man muss nicht alle Monumente stürzen.“ Stattdessen könnten „Gegendenkmäler… eine gute Wahl sein… in direkter Nachbarschaft“ als Reaktion „auf Kriegerdenkmäler oder NS-Monumente… Künftige Generationen haben ein Recht darauf, die Relikte alten Unrechts kennenzulernen.“ Auch der Verein „Berlin Postkolonial“ meint: „Kolonialdenkmäler sollten nicht einfach abgeräumt werden“, weil so „die Erinnerung an die Geschichte einfach getilgt“ würde. Stattdessen sollte man „Kunstschaffende zum Beispiel aus ehemaligen Kolonien dazu einzuladen, die Denkmäler zu verändern oder umzuwidmen.“
Dazu in Band 122 erschienen: