Ateliernotstand in Berlin

12. August 2019 · Kulturpolitik

Zwei Jahre lag konnte der Künstlerverein „Atelierhaus Australische Botschaft (Ost)“ das Gebäude der früheren Australischen Botschaft in der DDR für Veranstaltungen und als Ateliers nutzen. Jetzt wurde es an den Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg verkauft. Doch der will dort keine Künstler beherbergen, sondern eine Schule mit Kindergarten betreiben. Obwohl in diesem Falle eben nicht Spekulation oder Gentrifizierung durch Luxussanierung zu einer Verdrängung führen, ist dennoch auch dieser Vorgang ein Beispiel für den Ateliernotstand der freien Künstlerszene in Berlin: von den ca. 8.000 bildenden Künstlern und Künstlerinnen in der Stadt verfügt etwa ein Drittel über keinen oder einen nur unzulänglichen Arbeitsraum. Martin Schwegmann, Atelierbeauftragter der Stadt, fordert ein Sonderprogramm zur Schaffung neuer Atelierplätze. Mit 4 Mill. Euro will er in den kommenden zwei Jahren 700 neue Räume erschließen. Ob das reicht? Denn gleichzeitig, so Stegmann, gehen in Berlin immer wieder pro Jahr 350 bezahlbare Ateliers verloren. So müssen z.B. auch die Ateliernutzer in den KunstEtagenPankow (KEP) in der Pestalozzistr. am Ende des Jahres ihre Staffeleien zusammen packen. Jedenfalls stellt auch der Berliner Mieterverein fest: „Wer mit den rasant steigenden Mieten nicht mithält, muss seinen Laden dichtmachen. Das gilt erst recht für Künstler, die auf kostengünstige Ateliers angewiesen sind – eine prekäre Situation, denn Ausweichen ist kaum noch möglich.“ Unter 10 Euro pro qm ist auf dem freien Markt kaum noch ein günstiges Atelier anzumieten, und der Atelierbeauftragte im Atelierbüro des Kulturwerk des BBK-Berufsverbandes verwaltet gerade mal 870 Ateliers, die vom Senat gefördert werden. Fazit: für Künstler in Köln oder Düsseldorf, die sich in den 1990er und Nullerjahren scharenweise nach Berlin abmeldeten, ist der „Hauptstadtsog“ heut zu Tage längst Vergangenheit. Auch jüngere Galeristen, die sich keine teuren Ladenlokale in bester Lage im Stadtbezirk Mitte oder in Charlottenburg/Wilmersdorf leisten können, sehen die Standortbedingungen in Sichtweite von Kanzleramt oder Humboldtforum heute weitaus nüchterner als die Kunsthändler, die vor 20 oder 25 Jahren mit einer gewissen Euphorie nach Berlin kamen – die Jahre der Goldgräberstimmung im berlinischen Kunstbetrieb sind längst vorbei.


WEITERE NACHRICHTEN

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
KUNSTFORUM Probe lesen

„KUNSTFORUM ist ein Magazin, das so gut wie jedes Thema, das wichtig ist, beackert hat, und es ist so umfangreich, dass ich manchmal noch einmal in Heften von vor zehn Jahren schaue, und nicht selten erweist sich Kunstforum als eine Fundgrube…“ – Kasper König

Jetzt nur noch kurz bestätigen...

Wir freuen uns über Ihr Interesse am KUNSTFORUM Newsletter! Sie haben nun eine E-Mail an die von Ihnen angegebene Adresse bekommen, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über den Link!

OK
BIENNALE
GUIDE 2024
JETZT
BESTELLEN