Art International Zürich 2022 - ein Report

20. Oktober 2022 · default

Eine Bergkette der Alpen, in Frontalansicht aufgenommen. Das Panoramabild ist in drei Segmente unterteilt, auf einem davon ist der Berg gelb hinterlegt. „superstart“ – ein Kunstwerk der „alpenglühen art group“ ist ein Beispiel dafür, wie sich mit nationalen Stereotypen kritisch umgehen lässt. Die Gruppe, eine Initiative der Pfäffikoner „BB International Fine Arts kombiniert Fotografie, Malerei, Computergrafik oder Collagen. Zu sehen waren ihre Arbeiten am Wochenende auf der kleinen Kunstmesse „Art International Zürich“.
Die kleine, 1999 gegründete Messe ist ein Beispiel für die Ambivalenzen der Schweizer Kunstszene. Reichlich bestückt mit hervorragenden Museen und Blue-Chip-Galerien wie Hauser und Wirth, Gmurzynska oder Presenhuber fristet der organisierte Kunstmarkt in Gestalt der Kunstmesse in der internationalen Metropole seltsamerweise ein kümmerliches Schattendasein. Im Schatten der zwar angeschlagenen, aber immer noch mächtigen Art Basel ist offenbar wenig Platz für Alternativen in dem kleinen Land. Gerade mal 45 Aussteller, fast alle aus der Schweiz, boten ein Wochenende lang ihre Angebote auf der 24. Ausgabe der Messe feil. Das Publikumsinteresse war beachtlich.
Die Art International ist ein Refugium der Trivialkunst. Großflächige Ölmalerei dominierte die Szene, allerdings noch eine Stufe unterhalb der Qualität, die sonst schon die kleinen Kunstmesse Europas beherrscht. Das hängt auch damit zusammen, dass hier Künstler:innen sich selbst vermarkten konnten. Deshalb stößt man hier auf so skurrile Genres wie Heinz Marzohls „steinzarte Malerei“ oder Petra Lehmanns „Harmonesie“. Der Schweizer Kunstmaler lässt sich von den Rissen und Schattierungen stürmischer Felsküsten zu seinen Bildern inspirieren. Seine Landsfrau will mit ihrer „einmaligen Kunstform“ aus filigranen Zeichnungen und subtilen Texten Harmonie und Poesie vereinen. Immerhin ist die Preislage moderat. Zeichnungen und kleine Gemälde sind schon ab 400 Schweizer Franek zu haben. Das teuerste Objekt, eine knallgelbe Gorilla-Skulptur des französischen Pop-Artisten Richard Orlinski, kostete 129000 CHF.
Aber selbst auf solch einer Messe lassen sich veritable Entdeckungen machen. Etwa die Fotoserie „Somewhere to swim“ der russischen Fotografien Anna Dobrovolskaya-Mints. Die leeren Bäder, die sie während der Pandemie in Großbritannien aufnahm, sind ein gelungenes Sinnbild für den Kollaps des gemeinschaftlichen Lebens, die soziale Leere, mit dem sich viele europäische Länder in dieser Zeit konfrontiert sahen.
Eine der wenigen politischen Statements kam von der Künstlerin Annemarie Waibel. Die Züricher Bildhauerin ist seit jeher von der Bronzeskulptur fasziniert. „Pussyhats“ hat sie ihre Skulpturenserie genannt, die die Besucher:innen gleich am Messe-Eingang empfing. Die Serie aus Beton oder Kunststoff mit Acrylpatinierung sieht sie als Statement für die Sichtbarkeit von Frauen. „In vielen renommierten Kunstmuseen im In- und Ausland sind Künstlerinnen massiv untervertreten“ klagt die Künstlerin, auch mit Blick auf das neue, mit vielen weißen Männern bestückte Kunsthaus Zürich. „Die Pussyhats haben noch einen weiten Weg vor sich“ sagt sie. (IA)

https://art-zurich.com/index.html


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