Aktion "Flüchtlinge fressen": Sonderflug abgesagt

28. Juni 2016 · Aktionen & Projekte

Der „Spiegel“ als Speerspitze des investigativen Journalismus wusste es genau: Die Tiger im Gehege vor dem Maxim Gorki-Theater in Berlin-Mitte stammten ja gar nicht aus Lybien, wie das „Zentrum für politische Schönheit“ behauptete, sondern sie seien von einem Zirkus ausgeliehen worden. Der „Focus“ gab sich unterdessen ratlos: „Ist das Kunst, eine Demo oder beides?“ Die spektakuläre Tierschau vor dem Theater war Teil der Kunstaktion „Flüchtlinge fressen“ der Künstler-Initiative „Zentrum für politische Schönheit“, die dafür bekannt ist, mit provozierenden Aktionen mediale Aufmerksamkeit zu erregen. 100 Syrer wollte die Initiative aus der Türkei nach Berlin einfliegen lassen – gäbe es für diese Passagiere keine Einreisegenehmigung, seien Flüchtlinge dazu bereit, sich von den Tigern fressen zu lassen, so der Tenor der Aktion. Finanziell unterstützt wurde das Projekt vom Journalisten Jakob Augstein und der Rudolf Augstein Stiftung: „Für mich sind das Polit-Künstler. Wenn Kunst gut ist, tut sie weh. Das Spektakuläre ist nicht, dass in Berlin-Mitte Tiger stehen und sich irgendwer angeblich fressen lassen will. Jeder weiß, dass niemand gefressen wird…“ erklärte Jakob Augstein zu seinem Engagement. Tagelang sorgte das Tiger-Spektakel bundesweit für Schlagzeilen: über die Aufstellung des Tiger-Geheges als Bühnenbild des Maxim-Gorki-Theaters gab es sogar einen bizarren Streit über den behördlichen Widerruf der Genehmigung. Das um Einhaltung der bürokratischen Regeln bemühte Bezirksamt-Mitte ließ verlauten, es habe nicht gewusst, dass es sich hier „um eine politische Aktion“ handele; für die Genehmigung einer „politischen Versammlung“ sei das Grünflächenamt aber gar nicht zuständig gewesen. Das Maxim-Gorki-Theater entgegnete daraufhin, es handele sich bei dem Projekt „Flüchtlinge fressen“ sehr wohl um eine Theaterveranstaltung: „Auch eine politisch provozierende Theaterinszenierung ist Kunst und durch unser Grundgesetz geschützt“, erwiderte der Co-Intendant Jens Hillje. Der bereits gebuchte Flug wurde schließlich von der Air Berlin abgesagt. Die Fluggesellschaft kündigte den Beförderungsvertrag mit der Begründung, ein großer Teil der Passagiere hätte keine Einreiseerlaubnis. Die Künstlerinitiative hätte Air Berlin „im Unklaren“ gelassen; das „Vertrauensverhältnis“ zum Vertragspartner sei daher „nachhaltig erschüttert“. Die Initiative hatte hoch gepokert – sie wollte durch ihren Medien-Hype den Deutschen Bundestag dazu bringen, das im Asylgesetz verankerte Beförderungsverbot aufzuheben und hielt dazu sogar eine „Bundeserpressungskonferenz“ ab. Doch die Abgeordneten entschieden sich bei der Abstimmung erneut für eine Verschärfung der Asylbestimmungen.


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