Ai Weiwei Film Human Flow startet in den Kinos
Ein Jahr lang arbeitete Ai Weiwei an seinem 140 Minuten langen Film „Human Flow“ (Menschenstrom), der in Deutschland im November 2017 in die Kinos kam. An den Dreharbeiten in 23 Ländern waren 25 Film-Teams beteiligt. Dass Ai Weiwei in solch einer Breite und Gründlichkeit Einzelschicksale von Flüchtlingen dokumentiert, ist nach seinen eigenen Worten „eine sehr persönliche Reise“. Er selbst wurde bekanntlich in China verschleppt, inhaftiert und durfte nach jahrelangem Reiseverbot erst 2015 nach Berlin kommen. Vertreibung und Heimatverlust sind mithin reale Erfahrungen für ihn, der als Regisseur eines solchen Films eben nicht die kühle professionelle künstlerische Distanz hat wie andere Filmemacher, die heute einen flippigen Werbespot drehen und morgen einen handwerklich soliden TV-Krimi, oder wie die Kriegsberichterstatter, die mit schusssicherer Weste und Kamera in die zerbombten Ruinen von Aleppo vordringen und dabei im Laufe der Zeit eine gewisse Abgebrühtheit entwickeln: so ist der Film eben wegen dieser authentischen persönlichen Dimension ein leidenschaftliches Plädoyer für die Menschenrechte, für Toleranz, Mitgefühl und gegenseitiges Vertrauen. Und wie schwierig es ist, als Flüchtling nach allen physischen Strapazen auch mental woanders anzukommen und sich einzurichten, beschreibt Ai Weiwei hinsichtlich seiner eigenen Befindlichkeit nach zwei Jahren in Berlin mit der Abwandlung des berühmten Kennedy-Wortes: „Ich bin kein Berliner“. Denn mit der Ankunft an einem halbwegs sicheren anderen Ort hört die innere Geschichte der Flucht nicht auf. Nach seriösen Angaben sind derzeit weltweit 65 Mill. Menschen auf der Flucht, vor Krieg und Bürgerkrieg, vor Diktatoren, Hunger, Elend und Dürre – und das heißt auch: vor den Folgen des jetzt schon spürbaren Klimawandels. Allein aus Afrika würden in den nächsten Jahren 20 Mill. Menschen wegziehen wollen, wenn man sie denn ließe. Doch wenn nur solche abstrakten Zahlen in den Nachrichtensendungen verkündet werden, weckt das noch keine Empathie, sondern es bleiben halt blasse Zahlen. Deswegen focussiert Ai Weiwei seine Dokumentation eben nicht nur aus rein dramaturgischen Gründen auf die persönlichen Geschichten seiner Protagonisten. „Ihm gelingt… ein bildgewaltiges Dokument unserer Gegenwart“, schrieb Kerstin Decker im Berliner „Tagesspiegel“. Die „Neue Presse“ hingegen wirft Ai Weiwei vor, er schiebe sich „selbst immer wieder so aufdringlich ins Bild … meist filmend mit seinem Handy, als wäre er ein Voyeur auf Weltreise“, während die Rezensentin Kathrin Horster in den „Stuttgarter Nachrichten“ zu dem Eindruck gelangte: „Weiwei will… nicht belehren, er versucht vielmehr, die eigene Empathie für die Entwurzelten sichtbar zu machen, um so vielleicht das empathische Verhalten anderer zu fördern…“ www.labiennale.org/en/cinema/2017/program-cinema-2017/ai-weiwei-human-flow
Dazu in Band 214 erschienen: