Neolithische Kindheit.
Kunst in einer falschen Gegenwart, ca. 1930
Haus der Kulturen der Welt 13.04. – 09.07.2018
von Michael Nungesser
Der merkwürdige Titel „Neolithische Kindheit“ geht auf den Kunstwissenschaftler und Schriftsteller Carl Einstein (1885 – 1940) zurück, dessen Werk gleichsam als Wegweiser der von Anselm Franke und Tom Holert kuratierten Schau dient. Einstein wandte ihn für die Bildsprache von Jean (Hans) Arp an, der, wie die meisten der ausgestellten Künstler, zum Umfeld des Surrealismus gehörte. Die Kunst „ca. 1930“ war Ausdruck einer als falsch verstandenen, Krisen-geprägten Zeit in Europa zwischen Börsenkrach und Zweitem Weltkrieg. Die Moderne war in eine Sinnkrise geraten und strebte, befeuert von den Humanwissenschaften, nach Ursprüngen von Menschheit und Gesellschaft.
Neben Kunstwerken (Gemälde, Zeichnung, Grafik, Fotografie), die zumeist auf einer raumhohen Diagonalwand im Hauptsaal des HKW hängen und oben mittels eines Steges näher zu betrachten sind, besteht die dreiteilige Ausstellung vor allem aus Vitrinen mit Textmaterial: Bücher und Zeitschriften von zahlreichen Autoren verschiedenster Wissensgebiete, oft mit Abbildungen und Schautafeln, zu sehen als Deckblatt, Titelseite, in Tableaus, aufgereiht mit sichtbarem Buchrücken, fotokopiert oder aufgeblättert in Form einer Diaschau; parallel dazu Manuskripte und Typoskripte des Spiritus Rector, Carl Einstein, v.a. sein fünfbändiges, als Funktionsgeschichte angelegtes „Handbuch der Kunst“ (1930er Jahre), das unvollendet und unveröffentlicht blieb. Das Carl-Einstein-Archiv der Akademie der Künste in Berlin, das umfangreiche Nachlassteile besitzt, hat übrigens jüngst in Kooperation mit dem HKW Einsteins Werkmanuskripte und Briefe digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (www.adk.de/einstein).
Am Beginn der ersten Sektion, „Die unmögliche Expansion der Geschichte“, stehen…