Heinz-Norbert Jocks
Wassily Kandinsky
»Kleine Freuden«
Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, 7.3. – 10.5.1992
Staatsgalerie Stuttgart, 23.5. – 2.8.1992
Bei Wassily Kandinsky folgt Entwicklung disziplinierter Selbstentfaltung. Wir staunen, wie sein Werk in sich verklammert ist, wie es fortschreitet, sich verändert und sich doch in Leitfiguren, Grundrhythmen und Farbklängen treu bleibt. Er, bis heute eine wunderbare Ausnahmeersscheinung unter den großen Erfindern klassischer Moderne, sah sich gezwungen, alles, was er mit den Mitteln abstrakter Bildsprache schuf, essayistisch zu legitimieren.
Der 1866 in Moskau geborene Sohn aus großbürgerlichem Haus, der Jura studierte, “über die Gesetzmäßigkeit der Arbeitslöhne” promovierte und einen Ruf nach Odessa erhielt, begann erst als Dreißigjähriger seinen Lebensweg als Künstler, dessen radikale Wende eine Ausstellung französischer Impressionisten auslöste. Nach München ging er, um sich als Schüler des Jugendstilmeisters Franz Stuck weiterzubilden, bis er selbst eine Malschule eröffnete und daraufhin bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges als aktiver Spiritus rector des süddeutschen Expressionismus, des “Blauen Reiters” wirkte.
Als er in München und im Murnauer “Russenhaus” mit seiner Lebensgefährtin Gabriele Münter nicht nur in bildlicher, sondern auch in verbaler Form nach dem “Geistigen in der Kunst” suchte, worin ihn Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Paul Klee, Alfred Kubin und Franz Marc begleiteten, knüpfte er Kontakte zu Rußland mit der Folge, daß er bei Kriegsausbruch nach Moskau zurückkehrte. Der Umstand, daß Kandinsky, dem man im nachrevolutionären Rußland einflußreiche kulturpolitische Funktionen zuwies, mit seinen Theorien immer stärker ins Abseits geriet, weil er seine Kunst von Nützlichkeitseffekten frei hielt und so in Widerspruch zum gesellschaftlich Gefragten geriet, erleichterte den Abschied von der…