RAINER UNRUH
Zwischen Schönheit und Sachlichkeit
Fotos von Boris Becker, Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Ruff und Thomas Struth
Kunsthalle Emden, 26.1. – 14.4.2002
Nur eine Glastür trennt die ständige Sammlung der Kunsthalle Emden von der aktuellen Ausstellung, aber zwischen den Expressionisten, die in dem Backsteinbau zu Hause sind, und den neuen deutschen Fotokünstlern, die in Ostfriesland ein Gastspiel geben, liegen Welten. Dort der Rausch und die Ekstase, hier die Askese und strenge Sachlichkeit.
Den Auftakt macht Andreas Gursky. Der gebürtige Leipziger gilt spätestens seit seiner Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art im Frühjahr 2001 als Shooting Star unter den Fotokünstlern. Anfang dieses Jahres wurde bei einer Auktion in London ein Print Gurskys aus der so genannten Prada-Serie für 701055 Euro versteigert. Dort, wo das Geld verdient (und verloren) wird, geht’s weniger glamourös zu. In der Chicagoer Börse, die Gursky aus der Vogelperspektive fotografiert hat, ist der Boden mit Papierabfall bedeckt. Die Menschen schrumpfen in dem mehr als zwei Meter hohen und drei Meter breiten Abzug “Chicago Board of Trade II” (1999) zu Farbklecksen, die sich dort, wo die Börsianer eng nebeneinander stehen, zu Clustern und Kraftfeldern verdichten. Gursky hat das Bild digital nachbearbeitet, um eine Tiefenschärfe zu erzielen, die sich ansonsten nicht einstellte. Das beunruhigende Ergebnis dieser Manipulation: Je schärfer die Details hervortreten, desto verwirrender ist der Gesamteindruck.
Als Kontrast zum Chaos der Chicagoer Börse hat Kurator Achim Sommer an der gegenüberliegenden Wand eine Aufnahme Gurskys gehängt, die Ordnung und Stille einer Bibliothek mit ihren sorgfältig in Regalen aufgestellten…