Zwischen Moral und Ideologie
Politische Dimensionen der Malerei
von Oliver Zybok
Wie äußern sich Aspekte des Politischen in der Malerei? Hinsichtlich der Kunstentwicklungen nach 1945 lassen sich zahlreiche Anhaltspunkte finden. Wenn man zunächst den Blick auf Deutschland richtet, das im internationalen Kontext als eine Nation mit einer großen Malereitradition betrachtet wird, bietet sich bis in die Gegenwart hinein ein vielschichtiges Bild. Man denke nur an die Serie Café Deutschland von Jörg Immendorff (1945 – 2007), [02] die zwischen 1977 und 1982 entstanden ist, mit ihren Hinterfragungen der politischen Situation im geteilten Land während des Kalten Krieges, oder an einzelne Werke von Martin Kippenberger (1953 – 1997), die sich ironisch mit einem allzu eng gefassten Geschichtsbewusstsein befassten, wie zum Beispiel Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken (1984). [01] In der DDR agierten Künstlerinnen und Künstler unter restriktiven Bedingungen. Einen Übergang markiert die Serie der Passagen-Gemälde (1988 – 1993) von Doris Ziegler (geb. 1949), [03] welche die friedliche Revolution in der DDR und den Umbruch in jenen Jahren dokumentiert. Betrachtet man die Physiognomie der dargestellten Menschen und die Kargheit der urbanen Landschaft, scheint sich bei der Künstlerin früh eher Ernüchterung eingestellt zu haben.
Ein markantes Beispiel einer ideologischen Kontroverse entfachte der RAF-Zyklus 18. Oktober 1977 (1988) von Gerhard Richter (geb. 1932). [04–07] Die fotografischen Vorlagen für die fünfzehn Gemälde recherchierte der Künstler in den Wochenzeitschriften Stern und Der Spiegel. „Diese [in Schwarz-Weiß gehaltenen] Tafelbilder zeigen Motive, die aufgrund der zarten Verwischung der Farbmaterie mit einem breiten Flachpinsel unscharf oder verschwommen erscheinen, also unserem…