Ludger Gerdes
Zur Trialektik von Platz, Kunst und Öffentlichkeit
Architektur geht es um den Raum, um die Ausgrenzung bestimmter Räume aus dem unendlichen Außenraum. Ein Raum muß eine bestimmte Gestalt haben, die ihn als eine Einheit erfahrbar werden läßt. Dies geschieht durch sichtbare Grenzen, durch Raum bildende Elemente.
In dem deutschen Wort “Raum” steckt das Phonem “um”. Graphisch werden die Buchstaben dieses Phonems aus Halbkreisformen und ihren Verlängerungen gebildet. Damit erhält man die anschauliche Grundlage – die Gestalt – der Nische. Das Motiv der Nische, der Um-Fassung, erlebt in der Architektur eine Reihe von morphologischen und metaphorischen Wandlungen: Berge umziehen die Stadt im Tal, Gebäude umschließen einen Platz zwischen sich, Bäume umrahmen Gärten und Parks, Risalite umfassen einen Hof, rundliche Gewölbe umschalen Raumsegmente, Arkaden umgürten Wände, Nischen an oder in Gebäuden umhüllen und beherbergen Plastiken, usw. Diese Reihe läßt sich fortsetzen über die Aufgabenbereiche der Architektur hinaus: vom Händedruck bis zur Umarmung, von der Ummantelung der Menschen durch Kleidung bis zum Umstellen von Irgendwas durch Irgendwen.
Viele Menschen müssen heute in Städten leben. Um Erholung, Freizeit, interessante und schöne Erlebnisse zu haben, ist es ihnen nicht immer möglich, die Städte zu verlassen. Die Städte selbst müssen also mit etwas aufwarten, das den Aufenthalt in ihnen angenehm, unterhaltsam, sinnvoll macht. Das zu leisten ist Aufgabe von Plätzen und anderen architektonischen Angeboten. Viele, vor allem moderne Plätze werden dieser Aufgabe nicht gerecht. Zumeist sind sie leer, es gibt nichts auf ihnen zu sehen, sie sind nichtssagend und nichts besonderes oder gleich, gar nichts spielt sich…