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Titel: Künstlerpaare II · S. 102 - 104
Titel: Künstlerpaare II , 1990

Christine Noll Brinckmann
Zur Sexualität der Farbe

ÜBER DIE GESCHLECHTERDIFFERENZ IM UMGANG MIT FARBE IM EXPERIMENTALFILM

Die Puritaner wußten, was sie taten, als sie die Farbe aus dem Alltag verbannten. Als immaterielle und scheinbar überflüssige Eigenschaft der Dinge schien die Farbe nur dem Luxus Vorschub zu leisten, Sinnlichkeit und Sexualität aufzuheizen.

Die Zeit der Pruritaner mag vorbei sein, aber die Farbe wird in der westlichen Kultur noch immer marginalisiert – Designern, Frauen, Kindern, Ausländern, Malern und dergleichen bleibt es überlassen, sich mit ihr auseinanderzusetzen oder mit ihr zu spielen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht bedeutsam zu wissen, daß 10 bis 15 Prozent der männlichen Bevölkerung farbenblind sind (im Rot/Grün-Bereich) – ein angeborenes Defizit, das bei Frauen nicht vorkommt. Erstaunlich ist, daß alle diese Farbenblinden sich in unserer Gesellschaft gut zurechtfinden: Offensichtlich hat die Farbe keine lebenswichtigen Funktionen.

Innerhalb der Männerwelt jedenfalls braucht man nicht unbedingt zu wissen, welche Farbe ein Gegenstand hat. Auch in den wenigen Ausnahmefällen – Verkehrsampeln, Uniformen, Farbcodes bei Büroartikeln und ähnlichem – bildet die Farbe nicht das einzige Orientierungssignal, obwohl es hier um ordnungschaffende, kategorisierende Oppositionen geht: Blau gegen Gelb, Rot gegen Grün etc. Interessanterweise scheint der patriarchale Farbgebrauch sich weitgehend in beigeordneten Abstraktionen zu erschöpfen, statt die luxuriöse sinnliche Fülle von Tönen und Nuancen zu wählen, gegen die sich der Puritanismus wandte. Wo, wie in der katholischen Kirche, dennoch schwelgerisch mit der Farbe umgegangen wird, geschieht dies gezielt im Dienste metaphysischer Fülle.

Für Frauen besitzt die Farbe eine wesentlich vitalere und kreative Bedeutung. Farbe ist enorm wichtig im Bereich…


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