Ronald Berg
Zur Nachahmung empfohlen
»Expeditionen in Ästhetik und Nachhaltigkeit«
Uferhallen, Berlin, 3.9. – 10.10.2010
Das Exponat sieht aus wie eine überdimensionierte Bienenwabe und hängt flach an der Wand. Daneben werden Ausgangsprodukte, Verarbeitung und Anwendung des Wabenelements dargestellt. Es handelt sich nämlich um einen neuen, „revolutionären Werkstoff“ namens SwissCell. Der Diplom-Ingenieur Gerd Niemöller hat ihn entwickelt. Die Wabenform wird aus in Harz getränktem Papier hergestellt, ist extrem leicht, druckstabil, kostengünstig und umweltschonend herzustellen und – mit einer Deckhaut versehen – einfach zu Wänden, ja ganzen Häusern zu verarbeiten. Solche Gebäude sind erdbebensicher, feuerfest und hochisolierend – ideal für Krisengebiete und Armutsregionen. Dazu ist die SwissCell auch noch voll recyclebar. Ein Wunderding und Musterbeispiel für vorbildliche Nachhaltigkeit. Nur, was hat es mit Kunst zu tun?
Das könnte man sich bei der Ausstellung „Zur Nachahmung empfohlen“ überhaupt fragen, wo die SwissCell präsentiert wird. Schon der Titel der Schau suggeriert eher etwas von Lebenshilfe, Didaktik und Mitmach-Aktion. Und damit liegt man gar nicht mal falsch, geht es nach den Intentionen der beiden Ausstellungsmacherinnen, der Kuratorin und ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler und Projektleiterin und Ex-Galeristin Jaana Prüss. Beim Thema Nachhaltigkeit werde stets die ästhetische Dimension vergessen, beklagen sie.
„Zur Nachahmung empfohlen“ soll Brücken schlagen. Über 40 „künstlerischen Praktiken“ werden vorgestellt, Skulpturen, Installationen, Fotografie und Video, die „sich mit der kulturellen Dimension von Nachhaltigkeit beschäftigen“. Ist die Präsentation der SwissCell also eine Installation?
Die Exponate der Schau dienen jedenfalls einem guten Zweck. Ist das Ästhetische also nebensächlich? Nein, meinen Goehler und Prüss. Nachhaltigkeit sei ein ästhetisches Phänomen. Nur habe…