Zur Aporie von Kunst, Utopie und Leben
Auszug aus einem Text von Hans M. Bachmayer
Die bereits im frühen 19. Jahrhundert diagnostizierte Bedrohlichkeit der Ding- und Technikwelten, durch deren zweckrationale Verfassung die Gesellschaft ihre “negative Humanisierung der Materie” (Sartre) bis aufs äußerste vorantrieb, offenbart sich zunehmend als Beschleunigung der Zeichen und als Inflation von Sinn, in deren Folge der Austritt aus dem Bild zur schieren Notwendigkeit wurde. Symbolische Ausgrenzung, ja mehr noch: symbolische Entgrenzung des auf reine Immanenz und autonome Transzendenz angelegten Bildraumes wurde angesagt. Die avantgardistische Aufsprengung des historischen Kontextes der Bilder bewirkte, zumal durch den Dadaismus und Surrealismus, eine Entfesselung der Phantasie bis in die politischen und ethischen Dimensionen hinein.
Von daher läßt sich nachvollziehen, inwiefern mit der Entstehung der modernen Kunst im Rückgriff auf die vormodernen Kunstschulen und Künstlergruppen bereits Traditionen einer überindividuellen Gruppensprache durch die neueren Avantgardebewegungen reaktualisiert werden. Schon mit dem Impressionismus, Symbolismus, Jugendstil und Fauvismus entsteht ein gruppenstruktureller Prozeß, der eine Vielzahl von künstlerischen Individuen ins Zentrum kollektiver Auseinandersetzung versetzt, die dort einen ideologischen, soziologischen und ideographischen Identifikationsrahmen entwerfen. Die moderne Kunst und mit ihr die Avantgardebewegungen arbeiten auf einen gesamtgesellschaftlichen Wirkungsraum hin, in dessen Kontext die dynamischen transitorischen Bild- und Sozialphantasien von kollektiven Umtrieben geprägt sind.
Indem dann der Dadaismus die normative Festlegung der Ästhetik destruiert und auf die freie Interpretationswahl der Dingwelt der Ready-mades setzt, überträgt er durch den bewußten Skandal die Ästhetik in die Ethik, d. h., die Autonomie der Kunst sieht sich durch die bewußte Inszenierung der banalen Realität in Frage gestellt. Die provokanten…