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Titel: Zur Aktualität des Idyllischen · von Oliver Zybok · S. 39 - 79
Titel: Zur Aktualität des Idyllischen , 2006

Oliver Zybok
Zur Aktualität des Idyllischen
I. Idylle als Chiffre für Innerlichkeit

Eine der bedeutendsten Leistungen der europäischen Aufklärung war es, dem bürgerlich sich emanzipierenden Subjekt sein Recht auf unantastbare Innerlichkeit bewusst zu machen. Keine Institution, weder Staat noch Kirche, ist befugt, die “Innerlichkeit” des Subjekts in seine Gewalt zu bringen. Das bedeutet: In rechtlicher Hinsicht ist die Innerlichkeit des Subjekts “unbelangbar” geworden. Belangbar ist der Bürger nur in seinen äußerlich vollzogenen Handlungen, sofern sie das geltende Recht berühren. Mit Zustimmung zitiert Immanuel Kant den Ausspruch Friedrich II. von Preußen: “Räsonniert, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht!”1 Kant sieht darin eines der Ziele seiner Moral- und Rechtsphilosophie formuliert: die Abkoppelung der Bürgerrechtsfähigkeit vom religiösen Bekenntnis oder – anders gewendet – die Lösung der “Innerlichkeit” des Subjekts vom Zugriff des Staates.

“Innerlichkeit” bedeutet “Gesammeltsein in sich”. Als “Innerlichkeit” wird der gesamte Komplex von Empfindungen, religiösen und erotischen Gefühlen, Sehnsüchten, Hoffnungen, Entsagungen, Euphorien und Depressionen, Gedanken und Entwürfen im Hinblick auf “Welt” und “Ich” angesehen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens und seiner Schicksale entwickelt. Parallel zur “Innerlichkeit” wurde im 18. Jahrhundert der Begriff der “Äußerlichkeit” gebildet. Dieser bezeichnet den Bereich der Taten und Leiden des Subjekts, der immer belangbar ist, immer verantwortet werden muss. “Innerlichkeit” entsteht dort, wo – nach Brüchen in der geschichtlichen Kontinuität – Subjekt und Objekt einander fremd werden und das Subjekt, um überleben zu können, in der fremd gewordenen Welt sich in Innerlichkeit zurückzieht – oder mit den Kräften der Innerlichkeit beginnt, die…


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