Stephan Berg
Zungenküsse auf der Museumstoilette
Zu den Raumschnitten von Sery C.
Zu unseren philosophischen Grundparadoxien gehört die Erfahrung, daß Zeit und Raum als die zwei wesentlichen Kategorien, auf die sich menschliches Erleben stützt, für sich selbst betrachtet gar nicht existieren, sondern nur in der Relation zu einem sie wahrnehmenden Subjekt zur erfahrbaren Dimension werden. Der Raum an sich, als ontologische Bedingung für menschliche Verortung ist allenfalls denkbar, erlebbar ist er immer nur (wie die Zeit) als begrenzter, sich selbst Grenzen setzender. Genauer noch: Unser räumliches Erleben bezieht sich im Grunde nicht auf den Raum selbst, sondern auf das, was ihn umgibt und ihn von weiteren Räumen abtrennt: seine Grenzen: In unserer Welt ist folglich Raumerfahrung mit Grenzerfahrung weitgehend gleichzusetzen.
Im Gegensatz zur vorindustriellen Zeit, in der sich die Begrenzung räumlicher Erfahrung fast ausschließlich naturhaft zeigte, beispielsweise als Horizontlinie, als Bergkamm etc., leitet sich dabei unser heutiges Raumerleben überwiegend aus der Architektur ab.
Das globale Dorf, zu dem unsere Welt zumindest kommunikationstechnisch geworden ist, vermittelt in unserem post-industriellen Zeitalter Raumerfahrung wesentlich als Architekturerfahrung. Damit tektonisiert sich nicht nur unsere räumliche Verortung notwendigerweise sehr stark, sondern die Architektur an sich wird zum Platzhalter und Alleinrepräsentanten des Raums aufgewertet. Als Struktur zur Bewältigung von Raum ist sie nicht nur Ausdruck unserer Vorstellung von räumlicher Ordnung, sondern soll auch die Sinnhaftigkeit dieser Ordnung beglaubigen.
Gleichzeitig läßt sich, wie vor allem Paul Virilio gezeigt hat, unter dem Einfluß der zunehmenden Beschleunigungsschübe und Virtualisierungstendenzen, denen unsere Gesellschaft ausgesetzt ist, ein sukzessives Schrumpfen des Raumes, d.h. des Raumerlebens konstatieren. In dem…