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Ausstellungen: München · S. 181 - 182
Ausstellungen: München , 1984

Zum Geschichtsverständnis historischer Ausstellungen

“Die letzte Reise” – Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern, Stadtmuseum München, 4.7. – 4.11.1984

Der Titel weist über die regionale Beschränkung, die eher beispielhaft zu nehmen ist, hinaus auch eine inhaltliche auf: Der Begriff der Reise setzt ein Ziel voraus, das in diesem Fall nur als ein Glaube an eine jenseitige Welt gedeutet werden kann. Dieser Glaube hat ganze Generationen zu kulturellen Höchstleistungen gebracht und ist damit eine der wichtigsten Grundlagen unserer europäischen Kultur. Wer einmal den Gang vor den höchsten Richter als Tatsache akzeptiert hat, wird sein Leben lang daran denken. Gerade kurz vor seiner letzten Reise, wird er versuchen, sich ins beste Licht zu rücken und die anderen werden ihm dabei helfen, weil ihnen diese Tat einmal positiv angerechnet werden wird.

Daß die Ausstellung nur unter diesem Gesichtspunkt zu begreifen ist, wird sicher nur wenigen Besuchern klar, vor allem, wenn sie aus der bayrischkatholischen Tradition stammen. Der Glaube an ein Jenseits ist ihnen so intensiv vermittelt worden, daß er einen kleinen Winkel in ihrem Denken immer noch beansprucht. Sicher ist es auch viel tröstlicher, eine letzte Reise in ein neues Leben anzutreten, als endgültig Abschied zu nehmen. So ist die Ausstellung ein Stück Geschichte oder Heimatkunde. Aber gleichzeitig ist sie ein Symptom für die kulturelle Rückwendung und für die Suche nach den eigenen Wurzeln. Nur wird selten jemandem bewußt, daß man die Bedingungen der eigenen Existenz nicht im Museum finden kann. Wurzeln wachsen eben nicht willkürlich; man kann sie nicht anlesen, nicht durch Schauen an sich…

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