Zukunftsressource Archiv
Kunst als Medium von Erinnerung und Imagination
herausgegeben von Uta M. Reindl und Ellen Wagner
Archivieren als künstlerische und kuratorische Praxis entfernt sich heute von bürokratischen Konzepten und geht über das mit künstlerischen Strategien ohnehin verbundene Sammeln von Bildern und Objekten weit hinaus. Involviert sind oft identitätsstiftende Prozesse, was genuin utopisches Potenzial haben mag. Der Drang in die Zukunft ist dem Archiv immanent – als Ressource für gemeinsame Erzählungen, die immer wieder neu geschrieben werden müssen. Wie einschneidend der Verlust eines solchen Reservoirs ist, zeigte nicht zuletzt der lange Nachhall des international wahrgenommenen Archiveinsturzes in Köln 2009.
Seit Beginn des Jahres 2020 zwangen pandemiebedingte Einschränkungen die Kunstwelt zum massiven Umdenken in ihren Produktions-, Vermittlungs- und Rezeptionsweisen. Das Bemühen, sichtbar zu bleiben, motivierte viele zur Arbeit mit den wie auch immer gearteten Archiven. Für den deutschsprachigen Raum gilt zudem, dass sich mit dem Bauhaus-Jubiläum 2019 und dem 100. Geburtstag von Joseph Beuys 2021 etliche bis dato verschlossene Archive privater Institutionen und Ausstellungshäuser öffneten. Schon länger häufen sich die Veranstaltungen zum Thema durch alle Disziplinen hindurch, wie etwa das seit 2010 vom Arsenal Institut für Film und Videokunst e. V. in Berlin realisierte „Living Archive“ und „Visionary Archive“ oder auch die Intervention „Artist meets Archive“ im Rahmen der seit 2013 in Köln wiederbelebten Photoszene.
Archive sind Verteilerknoten zwischen Zeiten. Sie fungieren als Ausgangspunkte für vielgestaltige Dynamiken. In dieser Funktion dienen sie nicht bloß der Anhäufung von Beständen, sondern schaffen entscheidende Infrastrukturen für die Produktion und den Transfer von Wissen. Doch wer beschließt, was überliefert…
