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Titel: Zukunftsraum Urbanität - Neue Ansätze zwischen Kunst, Architektur und Stadtplanung · von Herbert Kopp-Oberstebrink · S. 45 - 47
Titel: Zukunftsraum Urbanität - Neue Ansätze zwischen Kunst, Architektur und Stadtplanung ,
Titel: Zukunftsraum Urbanität - Neue Ansätze zwischen Kunst, Architektur und Stadtplanung

FOKUS

Zukunftsraum Urbanität
– Neue Ansätze zwischen Kunst, Architektur und Stadtplanung

herausgegeben von Herbert KOPP-OBERSTEBRINK und Judith Elisabeth WEISS

Die Auseinandersetzung mit der Stadt, dem urbanem Raum und dem Bauen kann spätestens im 20. Jahrhundert als Medium zur Diagnostik der jeweiligen Gegenwart gesehen werden. So finden die Debatten über Tradition und Innovation im Wiederaufbau deutscher Städte kurz nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs ihren Widerhall im entschiedenen Bekenntnis, man könne „den zerstörten Städten bessere Treue halten, wenn wir sie nicht in ihrer gewesenen Form wieder aufbauen.“ Der Architekt der modernen Stadt müsse ebenso wie die Kunst dem Imperativ „Wir haben Avantgardisten zu sein!“ folgen. Das stellte Theodor W. Adorno 1949 fest und setzte hier bereits Kunst und Architektur in ein Verhältnis. Knapp zwei Dekaden und einige Erfahrungen mit dem neuen Bauen später war die Klage über „die Unwirtlichkeit unserer Städte“, so Alexander Mitscherlich 1965 groß, wurde gar „das Recht auf Stadt“ durch Henri Lefebvre eingeklagt. In den folgenden Jahren weitete sich der Blick. Der Soziologe und Stadtplaner Lucius Burckhardt stellte 1974 programmatisch die weitergehende Frage „Wer plant die Planung?“ und rückte damit die Akteur* innen, die den urbanen Raum gestalten, in den Mittelpunkt. Schon damals waren damit Kollektive aus Politik, Architektur und Stadtplanung gemeint. Das Projekt einer documenta urbana (1982) wurde weg weisend und holte als Akteurin in tragender Funktion die Kunst ins Boot.

Wo steht die Diskussion im Zeichen der sogenannten Polykrise heute? Stadt und urbaner Raum werden zunehmend als Ort verstanden, an dem innovative und regenerative Antworten auf die umfassenden Krisen der Gegenwart – die Krise der Ökologie, die Krise des Klimas, die Krise der endlichen, knappen Ressourcen auf unserem Planeten – gefunden und erprobt werden müssen. Auf dem Spiel steht nicht weniger als ein neues Kulturmodell, und damit auch ein neues Selbstverständnis des Menschen: Das konsumistische Modell des gestalterischen Umgangs mit Städten und Räumen muss transformiert werden, die Keywords dieser Transformation sind: Suffizienz, Kooperation, Langlebigkeit, Wieder aneignung, Partizipation, Reparatur. Wie wollen wir künftig leben? wird zur Leitfrage dieses Transfor mationsprozesses. Die Antwort ist im Konzept einer neuen urbanen Praxis zu suchen.

Der einleitende Beitrag „Auf der Suche nach dem verlorenen Ort“ von Herbert Kopp-Oberstebrink und Judith Elisabeth Weiss versucht, das Verhältnis von Kunst und Architektur im Zeitalter eines neuen Urbanismus zu bestimmten. Dabei wird deutlich, dass die künstlerische Visualisierung der Stadt nicht nur Seismograph und utopisches Reservoir des urbanen Lebens ist, sondern dass transdiszi plinäre, kollektive und aktivistische künstlerische Praktiken eine zentrale Rolle innerhalb der urbanen Praxis zukommt. Unter dem Titel Intervention im Stadtraum stellt Herbert Kopp-Oberstebrink sieben deutsche und internationale Kollektive vor, die in wechselnden Zusammensetzungen aus Archi tekt*innen, Künstler* innen und Stadtplaner*innen bestehen. Allesamt Vertreter*innen der gegenwärtigen urbanen Praxis, geben sie Statements zu ihrer Arbeit und beantworten drängende Fragen. Der Fokus liegt hierbei einmal mehr auf der Beziehung von Kunst und Architektur.

Im Gespräch mit dem Architekten und Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lanpugnani wird deutlich, dass eine nachhaltige Architektur und ein nach haltiger Städtebau nur auf Basis einer umfassenden Kritik am Konsumismus und das heißt am leichtfertigen Abriss von Gebäuden zu denken sind. Die „wir selber bauen unsre stadt“ überschriebene Bildstrecke vereint unter den Rubriken „Struktur und Form“, „Innenraum und Außenraum“, „Embodiment“ sowie „Globalisierung und Lokalisierung“ Positionen zur visuellen Thematisierung der Stadt aus der Kunst der Gegenwart. Die amerikanische Künstlerin Tracey Snelling nimmt im Gespräch die Schönheit und Lebendigkeit von durch Verfall und prekären sozialen Verhältnissen gezeichneten Gebäuden und Wohn quartieren in den Blick. Kirsten Claudia Voigt gibt in ihren Essays zu Judith Hopf und Rebecca Ann Tess Hinweise auf zwei Künstlerinnen, deren Arbeiten ein kritischer Kommentar zur Großstadt der Gegenwart und ihrer Architektur sind.

Im Gespräch, das Judith Elisabeth Weiss und Herbert Kopp-Oberstebrink mit der in New York lebenden Architektin und Planerin Julia Watson geführt haben, steht die auch hierzulande neuerdings diskutierte Frage im Mittelpunkt, ob alternative Baumaterialien wie Wurzeln und aus indigenen Baupraktiken übernommene Verfahren auch im Kontext der westlichen Welt Wege aus der Krise weisen könnten. Schlusspunkt und theoretische Klammer des Bandes bildet der Beitrag des Kurators, Mitherausgebers und Chefredakteurs von ARCH+ Anh-Linh Ngo. Er gibt anhand vierer Merk male eine präzise Bestimmung dessen, was unter einer kollaborativen ‚Urbanen Praxis‘ zu verstehen ist und erläutert diese an einem aktuellen Beispiel. Die Kunst – so viel wird deutlich – hat in den neuen Praktiken im urbanen Raum ein Wort mitzureden.

von Herbert Kopp-Oberstebrink

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von Judith Elisabeth Weiss

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