ZUCKER, TORTEN, SÜSSWAREN
Auf der ART COLOGNE 2000 hatte man dem Ehrenvorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Galerien, Gerhard F. Reinz, zum vierzigjährigen Berufsjubiläum eine fünfstöckige Cremetorte überreicht. Das Schaffen der Zuckerbäcker und Patisseurs ließe sich durchaus als angewandte Eat Art etikettieren: Marzipanfiguren haben z.B. häufig eine Ähnlichkeit mit kunstgewerblichen Kleinplastiken.
Der Künstler Piet Trantel schüttete 1994 in der Galerie Barz (Hannover) 700 kg Zucker zu einer Pyramide auf, füllte anschließend jeweils “einige Teelöffel” in Tüten ab, die er für 5 Mark (2,55 Euro) anbot mit der Aufforderung an die Käufer, aus dem Inhalt ein “Zuckerwerk” herzustellen und zu einem Wettbewerb einzureichen.1 Zum Abschluss seiner Ausstellungstournee mit der Zucker-Kunst ließ Trantel 1995 eine vertrocknete Zuckerrübe aus der Vorjahresernte zu Wasser und verbrannte einen Zuckerhasen – man mag darin eine Anspielung an den Beuys’schen Hasen und an die Osterzeit als eine der Hochsaisonphasen der Süßwarenindustrie sehen.
Mit ähnlichem künstlerischen Interesse für Plastisches aus der Backstube stellte Ruth Knecht 1996 in der Aachener Galerie van der Milwe Schokoladenweihnachtsmänner als ready mades aus. Die japanische Künstlerin Chelin bestreute den Boden eines Raumes mit weißem Zucker und kleidete die Wände mit Keksen aus (“Mellow House”, 1996). Den Kölner “Projektraum Triloff” bestückte sie mit kitschig-bunten Kaubonbons (“Mellow Forest”, 1999). Andere Installationen Chelins bestehen aus Kuchen (“Hänsel und Gretel”).
Süßigkeiten und Backwaren können unverändert als “ready mades” in derlei künstlerische Inszenierungen übernommen werden, da sie in Form (z.B. “Gummibärchen”) und Farbe (z.B. “bonbonrosa”) a priori eine visuelle Signifikanz und quasi-skulpturale Plastizität haben. Schwarzwälder Kirschtorte, Schoko-Küsse, Dauerlutscher und alle anderen Naschereien haben sich…