Hakim Bey
Zen des Reisens
Jenseits des Tourismus oder Interkulturelle Synergien bei Pilgern, Derwischen, Sufis und Situationisten
Wo eine Karawane auch hinziehen mag,ihr Mekka ist stets die LiebeJalaloddin Rumi
Früher gab es keinen Tourismus. Noch heute ziehen Scherenschleifer, Kesselflicker und andere echte Nomaden nach Belieben durch ihre Welt, aber niemand käme deshalb auf den Gedanken, sie als Touristen zu bezeichnen.
Der Tourismus ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, einer Epoche, die sich mitunter zu abnormer Länge auszudehnen scheint. In vielerlei Hinsicht leben wir heute noch immer im 19. Jahrhundert.
I. Die Sphären des Reisens
Der Tourist ist auf der Suche nach Kultur, weil – in unserer Welt – die Kultur im Schlund des Spektakels verschwunden ist; weil die Kultur zerstört und durch das Einkaufszentrum und die Talk-Show ersetzt worden ist; weil unsere Erziehung nichts weiter ist als die Vorbereitung auf ein Leben, das aus Arbeiten und Konsumieren besteht; weil wir aufgehört haben, selber schöpferisch tätig zu sein. Obwohl Touristen in der Natur oder in der Kultur physisch präsent zu sein scheinen, könnte man sie ohne weiteres als Gespenster bezeichnen, die ohne körperliche Anwesenheit in Ruinen herumgeistern. Sie sind nicht wirklich da, sondern bewegen sich eher durch eine imaginäre Landschaft, eine Abstraktion (“Natur”, “Kultur”), wobei sie hauptsächlich Bilder, aber so gut wie keine Erfahrungen sammeln. Ihre Urlaube finden allzu oft inmitten des Elends anderer Menschen statt und tragen sogar noch zu diesem Elend bei.
Pilger, Händler, Krieger
Vor kurzem wurden in Ägypten einige Menschen bloß deshalb umgebracht, weil sie Touristen waren. Schöne neue Welt! Tourismus und Terrorismus: Doch wo…