Zeichnen zur Zeit
Eine Serie in mehreren Folgen. Teil VIII
vorgestellt von Reinhard Ermen
Vor 40 Jahren war in Zürich (Kunsthaus), Baden-Baden (Kunsthalle) und Wien (Albertina) eine Ausstellung zu sehen, die kurz zuvor für das Museum of Modern Art in New York konzipiert wurde. „Drawing Now“ hat seinerzeit den Blick auf die Zeichnung verändert, bzw. das Medium als Ausdrucksmittel der aktuellen Kunst nobilitiert. Trotz des durch die Gegenwart geschärften Blicks schaut die Kuratorin Berenice Rose in ihrem noch heute lesenswerten und lehrreichen Grundsatzessay erst einmal zurück, um mit den altehrwürdigen Begriff „disegno“ den konzeptuellen Charakter zu definieren, von dem aus sich alle anderen Möglichkeiten, einschließlich der eingeschriebenen Tendenz zur Erweiterung und Erneuerung ergeben. „Drawing now“ lautet auch die internationalisierende Kennzeichnung des „Salon du dessin contemporain“ in Paris, einer Messe ausschließlich für Zeichnung, wo zum Beispiel 2012 die „Allieance de la traditionet et de l’audace“ im Katalogvorwort beschworen wird. Ganz bewusst hat die Albertina 2015 eine große Zusammenfassung von neuen Tendenzen mit „Drawing now“ überschrieben. Tradition verpflichtet. Gleich zu Beginn stellt die Kuratorin Elsy Lahner fest: „Zeichnung ist allgegenwärtig“; sie ist aus dem aktuellen Kunstgeschehen gar nicht mehr wegzudenken.
Es ließen sich noch weitere Ausstellungen und Projekte der letzten Zeit und erst recht der vergangenen 40 Jahre anführen, die die Allgegenwärtigkeit des Mediums beschwören und dessen insistierende und konzeptionelle Kräfte aufrufen. Die Verbindung zwischen den angelernten Verfahrensweisen von Skizze und Entwurf, von Innerlichkeit und Analyse bis hin zu wuchernden Linearitäten und raumgreifenden Überholmanövern, machen die Zeichnung zu einem universalen Ausdrucksmittel, obwohl, besser: Weil…