Zeichnen als bildhauerisches Prinzip
Julio González 1876-1942
Plastiken, Zeichnungen, Kunstgewerbe
Dessiner dans l’espace bezeichnete Julio González 1932 in seinem Picasso-Aufsatz als sein bildhauerisches Prinzip. Nicht nur wegen seiner aphoristischen Kürze wurde dieses Wort zum meistzitierten Ausspruch González’, sondern auch deshalb, weil der Bildhauer damit zugleich ein Grundproblem der Plastik in diesem Jahrhundert auf eine einprägsame Formel brachte. In der Retrospektive, die Rowell und Merkert für das Guggenheim Museum erarbeiteten, und die auf dem Wege nach Berlin in Frankfurt Zwischenstation machte, wurden die Eisenskulpturen des Künstlers zum Prüfstein dieses Programms.
Das Zeichnen besaß für González fundamentale Bedeutung. In der Ausstellung wurden die Eisenskulpturen mit den Zeichnungen in sinnvolle Beziehung gebracht. So konnte man unschwer erkennen, daß scheinbar ungegenständliche Skulpturen wie Femme se coiffant I, um 1931, auf dem Wege fortschreitender Abstraktion über viele Zeichnungen aus dem unmittelbaren Natureindruck entwickelt wurden. Selbst so abstrakt erscheinende Skulpturen wie Femme au miroir, um 1937, sind figurbezogen gemeint. Indem die Ausstellung das bewußt macht, verliert auch die naturnahe Formulierung der etwa gleichzeitig entstandenen La Monserrat ihre Fremdheit. Die Zeichnungen können als Code dienen, die semantische Bedeutung der Naturabbreviaturen in Eisen aufzuschlüsseln. Gleichwohl erklären die Zeichnungen die Skulpturen nicht völlig, denn sie waren für González keine Konstruktionszeichnungen, sondern Stufen der Formfindung und Mittel zur Klärung konstruktiver Abläufe, wie aus der mehrfarbigen Anlage vieler Blätter ersichtlich ist. Oft dienten sie auch dem Künstler nach Vollendung einer Plastik dazu, neue Formvariationen durchzuspielen, auch wenn diese nur im schneller handhabbaren Medium der Zeichnung verblieben. Der Kontur umgrenzt die Form eindeutig, ohne atmosphärische…