Al Imfeld
Yoruba Ästhetik und Philosophie
Kritik der Ausstellung »Die Kunst der Yoruba« (Zürich 1991) und des begleitenden Katalogs
Mit der Ausstellung “Die Kunst der Yoruba” und dem begleitenden Katalog “Yoruba. Kunst und Ästhetik in Nigeria”1 ging das Zürcher Museum Rietberg neue Wege. Ausstellung und Buch signalisierten einen historischen Einschnitt in der Präsentation und Wahrnehmung der Kunst aus einer anderen Kultur. Indem die Aussteller ihre Überzeugung, dass jede Kultur ihre eigene Wahrnehmung und somit Ästhetik besitzt, in die Tat umsetzten, d. h. aus sich herausgingen und in Kopf und Seele eines anderen Volkes schauten und horchten, setzten sie ein Zeichen des Respekts und der Toleranz, der Ehrfurcht und der Selbstbescheidung. Ihr Wagnis, aus sich und der westlichen Denkweise herauszugehen, war nur in der Konfrontation und im Dialog möglich. Zeugnis davon gibt der Katalog, der symptomatischerweise von drei Autoren verfasst wurde.
Ehrfurcht statt Edel-Rassimus
Durch einen derartigen Akt wird “afrikanische Kunst” von ihrer Ungeschichtlichkeit befreit. Sie tritt aus der Sphäre des in illo tempore oder des Urtümlichen, Ursprünglichen und Urbeginns in die Geschichte hinaus. Sie ortet sich konkret und lässt sich in einer bestimmten Zeit datieren. Alles, was durch Raum und Zeit Kontur erhält, wird zur Geschichte. Genau diese Geschichte gaben die Aussteller den Yoruba aus Nigeria zurück.
Das machte die Wende aus. Bis anhin gingen und gehen noch immer die meisten Aussteller von einer “primitiven” oder “sakralen”, also zeit- und ortentrückten Kunst aus. Sie glaubten stolz, ins Prähistorische zu greifen; sie wähnten sich als Brücke zu einem Reich der Mythen; sie führten in die Unterwelt…