Amine Haase
Wunderkammern
Wer weiß es nicht: ganz Venedig ist eine Wunderkammer. Und zu Zeiten der Biennale quillt die Stadt über von Träumen und Alpträumen der Phantasie. Die “Wunderkammer” ist eine der anregendsten Kapitel dieser Biennale, die der “Kunst und Wissenschaft” gewidmet ist. Wunderkammer hieß der frühe Sammlungsort für alle Kostbarkeiten, merkwürdigen und seltenen Dinge, die das Aufhebens wert erschienen. Daß diese Schränke, Vitrinen. Kammern der Geburtsort unserer Museen sind und unsere Vorstellungen vom Umgang mit Kunst beeinflußt haben, läßt sich in wenigen Räumen gut nachvollziehen.
Die größte Hoffnung setzen wir auf Wunder; vielleicht müssen wir das heute – in einer Zeit, da ein Thema wie “Kunst und Wissenschaft” sich ausnimmt wie ein später, vielleicht zu später. Versöhnungsversuch. Die labyrinthische bis chaotische Präsentation von Kunst-Statements in Venedig, das Gewirr der Ansichten und Meinungen, spiegeln die Hilflosigkeit des Annäherungsprozesses. (Ähnlichkeiten mit dem informations-politischen Durcheinander nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sind wohl nicht rein zufällig.)
Früher versammelten Könige und Fürsten die “Wunder” zur eigenen Freude in Kammern. Wunderkammern. Sie wurden mit Erstaunen wahrgenommen. Oder vielleicht auch mit Erleichterung – wie jener Teufel in einem Kristall. Er schließt einen ganzen Kosmos in sich ein, eine Denkwelt über Gut und Böse, das Geheimnis des Diabolischen, das sich der Menschen bemächtigt, des Dämons, der umherirrt, ist hier wie eingefroren in einem gläsernen Sarg. Mag man sich nun freuen. Das Teufelchen erwischt zu haben, oder bedauern, daß es gezähmt wohl langweiliger ist als in Freiheit – der “Diabolus in vitra” wurde im 17. Jahrhundert laut Überlieferung nach einer Teufelaustreibung…