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Ausstellungen: Mönchengladbach · von Christiane Fricke · S. 332 - 335
Ausstellungen: Mönchengladbach , 2000

Christiane Fricke
Wounded Time

»Avantgarde zwischen Euphorie und Depression«
Städtisches Museum Abteiberg, 9.4. – 20.8.2000

Der Gangster stand in der Tür. Tausend Blutstropfen entströmten seiner Brust, breiteten sich auf seinem Hemd aus und wurden von ihm aufgesogen. Dieses Bild aus dem Film “Töten ohne Mitleid” hatte der italienische Bildhauer Leoncillo (1915-1968) vor Augen, als er 1963 an seiner Skulptur “Wounded Time” arbeitete.

Seine abstrakte Keramikskulptur lieferte den Titel für eine ungewöhnliche Ausstellung über das zu Ende gegangene Jahrhundert. Einem Schwamm gleich hat es Schuld und Missverständnisse, Versäumnisse, Blindheit und Verbrechen in sich aufgenommen. Davon und nicht von den sattsam bekannten, weil immer wieder rekapitulierten und letzthin überall sichtbaren Heldentaten der Avantgarde erzählt diese Ausstellung.

Veit Loers, Direktor des Städtischen Museums Abteiberg und Kurator der Ausstellung, schickte ihr eine beunruhigende These voran: Die Museen für Moderne Kunst, sagt er, hätten sich unbewusst ein Lügengerüst errichtet, indem sie alle künstlerischen Äußerungen, die nicht so einfach verfügbar und “repräsentabel” wären, beiseite gelassen hätten. Was repräsentativ im Museum hängt, hat seiner Meinung nach etwas “mit der merkwürdigen Selektion unseres Verständnisses von Kunst zu tun”. Auf keinen Fall sollte deshalb diese Millenniums-Ausstellung das Museum als “Day-Light-Institution” bestätigen, was im übrigen auch aus praktischen Gründen gut war. Denn das Abteiberg-Museum musste seine Schau, anders als die großen Häuser an der Rheinschiene, ohne “eine müde Mark” vom Land zu Stande bringen.

Loers suchte im Dunkel. Er hielt Ausschau nach impulsgebenden Energiepotenzialen, nach dem Ephemeren und Marginalen. Er kratzte an der glattpolierten, auf Avantgarde-Leistungen zugespitzten Optik, inspizierte Narben und spürte Verwundungen nach. Am…



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von Christiane Fricke

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