Wolfgang Ullrich
Autor
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Ein Gespräch von Sabine B. Vogel
Wolfgang Ullrich, geb. 1967, lebt als freier Autor in Leipzig und München. Von 2006 bis 2015 war er Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er arbeitet zur Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, zu zeitgenössischen Bildwelten und Konsumtheorie. – Jüngste Veröffentlichungen: Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust, Berlin 2016; Der kreative Mensch. Streit um eine Idee, Salzburg 2016.
Sabine B. Vogel: Sie haben schon vor zwei Jahren in der Kunstzeitschrift ART und in der Wochenzeitung DIE ZEIT über die neue Auftragskunst geschrieben – wie kamen Sie zu diesem Thema?
Wolfgang Ullrich: Mir war aufgefallen, wie viele Formen von Aufträgen an Künstler es in der zeitgenössischen Kunst gibt, die nicht unter diesem Begriff abgehandelt werden, die man aber letztlich nicht anders bezeichnen kann als Auftragskunst. Denken Sie nur an die Debatten, die schon in den 1980er Jahren unter dem Begriff ‚site specific‘ begannen. Ortsspezifisch ist für mich ein Deckbegriff, denn es geht darum, dass Künstler für einen bestimmten Ort oder Anlass beauftragt werden, etwas Spezifisches zu entwickeln, wofür die infrastrukturellen und finanziellen Möglichkeiten bereitgestellt werden. So gibt es viele Formen von Beauftragung, und es schien mir reizvoll, das auch unter dem Begriff zu diskutieren und aktuelle Ereignisse mit vormoderner Auftragskunst zu vergleichen.
Sie sprechen darin von einer „neuen Epoche“ der Auftragskunst – was ist das Neue?
Neu ist zum einen die Heterogenität an Auftragsverhältnissen: Wir haben die öffentliche Hand als Auftraggeber für Kunst im öffentlichen Raum, mit…