Ingo Arend
Wolfgang Tillmans
»Lighter«
Hamburger Bahnhof, Berlin, 21.3. – 24. 8.2008
Darf ein Künstler dazu lernen? Oder muss er, wie es die linke Szene einst von Joschka Fischer erwartete, ewig der Streetfighter der revolutionären Anfänge bleiben? Der Vergleich mag abwegig klingen. Doch er ließe sich durchaus am Beispiel Wolfgang Tillmans diskutieren. Nicht erst seit der Berliner Ausstellung hat die Okkupation dieses mit Fotograf nur höchst unzureichend beschriebenen Künstlers mit dem, was man »reine Schönheit« nennen könnte, im Kunstkontext für Kontroversen gesorgt. Schon in der Schau in den Hamburger Deichtorhallen 2002 fiel den Beobachtern Tillmans Schwenk zur Abstraktion auf und die Entfernung von einem Kontext, der lange für ihn charakteristisch schien.
Überraschen konnte das freilich nur die Kurzsichtigen. Eine ausgewaschene Jeans über einem Treppengeländer, der verformte Kragen eines weißen T-Shirts, der Faltenwurf einer Puma-Turnhose. Wer heute alte Wolfgang-Tillmans-Kataloge durchblättert, wundert sich, wie die Idee aufkommen konnte, den Künstler bloß für den Chronisten der Techno-Generation zu halten. Gewiss – da sind die Figuren aus der schwulen Subkultur, die halbentblößten Gestalten des Nachtlebens und der musikalischen Boheme, die in nichts anderem als dem Moment zu leben schienen. Doch in dieser scheinbar schnappschussartig eingefangenen Gegenwärtigkeit war immer auch ihr Gegenteil erkennen. Noch den buntesten Stillleben auf blätternden Fensterbrettern in WG-Küchen war ein melancholisches Memento Mori eingeschrieben. Und noch in den zerbeultem Müll eines Rave-Exzesses konnte man ein geradezu erotisches Interesse an der Form hinter dem Chaos des Augenblicks entdecken.
So sensibel, sinnlich und individuell Tillmans Werk auch immer daherkommt. Streng genommen war der gebürtige Remscheider immer auch…