Martin Pesch
Wolfgang Laib
Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe, 27.9. – 30.11.1997
Wenn man in Karlsruhe ankommt, ist die Ruhe das erste, was einem auffällt. Während man in anderen Städten vergleichbarer Größe vom Ausgang des Hauptbahnhofes in eine geschäftige Fußgängerzone geleitet wird, steht man in Karlsruhe im Stadtpark. Und die Bahnhofsstraße ist eine lauschige Schneise, nicht nur an einem sonnigen Herbsttag, wenn die Farbe des Laubes vor blauem Himmel leuchtet.
Deshalb scheint es zuerst, als schmiege sich Wolfgang Laibs neue Arbeit “O.T” (1997) an diese Atmosphäre an. In der Orangerie, die den modernen Teil der Sammlung der Staatlichen Kunsthalle beherbergt, hat Laib ein knapp vier Meter hohes Holzgestell aufgebaut, das von der Mitte der Eingangsrotunde bis einige Meter hinein in den Gemäldesaal reicht. Das zirka ein Meter tiefe Gestell hat zwei Ebenen: auf der oberen liegen sieben, in der darunterliegenden noch einmal drei schifförmige Körper auf Querstreben. Diese Schiffe sind aus Bienenwachs gefertigt und es scheint, als befänden sie sich auf einer Reise durch den hohen Bogen, der zwischen Rotunde und Halle liegt.
Der 1950 geborene Laib arbeitet seit einigen Jahren mit Bienenwachs. Genauso wie Blütenstaub, Reis und Milch – Stoffe, die er oft verwendet hat – ist Bienenwachs ein organisches Material, das die Natur ohne das Zutun des Menschen produziert, das nach anderen Gesichtspunkten entsteht als denen von Produktivität, Nutzen und Profit. Für Laib verkörpern diese Materialien deshalb auch eine Energie, die über die Möglichkeiten des Menschen hinausgeht. Gleichzeitig ermöglichen sie in der Beschäftigung mit ihnen, das Sein als Mensch zu transzendieren, es in einer…