Hajo Schiff
Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?
»Politische Bildergeschichten von Albrecht Dürer bis Art Spiegelmann«
Kunstverein in Hamburg, 19.12.2009 – 14.3.2010
Mit dem Weltuntergang anfangen und dann langsam an Dramatik zulegen: Frei nach diesem Motto beginnt die Ausstellung im Hamburger Kunstverein mit der christlichen Endzeitvision Dürers von 1496/98. Und um klarzumachen, dies hier sei aber nicht das Kupferstichkabinett eines verstaubten Museums, füllen die 32 graphischen Blätter (übrigens Faksimiles) die Wand in der Form eines großen Hakenkreuzes. So muss der Altmeister das nationale Kreuz tragen und darf kurzschlüssige Analogien lostreten: Kirche und Partei, Nürnberg und die fanatisierten Massen, der falsche Prophet Hitler und der Holocaust.
Apokalypsen gibt es hier gleich mehrfach und auch andere kunsthistorische Größen müssen sich zu neuen Kontexten überformen lassen oder einer bizarr-explosiven Ausstellungsarchitektur fügen: So finden sich Goyas „Desastres de la Guerra“ als wirrer Haufen in einem im Stile Keith Harings an die Wand gemalten Berg von Fernsehgeräten.
Nun mag sich Kunstvereinsdirektor Florian Waldvogel gedacht haben, apakalyptomai heißt nur „aufdecken“ und so entdeckelt er die zitierten Konventionen der Bildergeschichte und lässt die Comics Raum werden bzw. die „Bande dessinée“ wie eine wilde Bande durch das Hauses toben. Begleitend dazu breitet der 1979 geborene Hamburger Zeichner, Heftemacher und Szene-Künstler Stefan Marx, gerade Ende Januar mit dem Hamburger Lichtwark-Stipendium geehrt, seine schwarz-weißen Figurationen in einem Mega-Comic über Wände und Decke des Foyers aus.
In voller Breite des Themas und doch etwas zufällig findet sich in der im Kunstverein inszenierten Comic-Landschaft Material von über 130 Autoren/Künstlern: Von Holbeins Totentanz über Max Ernst-Collagen…